Zurück 08 Sep 2023 · 9 min lesezeit
von Katrin Bermbach
Sind Depressionen ansteckend?

Wenn Angehörige oder Partner*innen in einer Beziehung mit einem von Depression Betroffenen sind, kann es passieren, dass sie sosehr mitleiden, dass sie selbst depressiv werden. Man spricht dann von einer Co-Depression.

Selbst krank durch andere: Wenn ein geliebter Mensch unter Depressionen leidet, färbt das auf Angehörige ab. Die Krankheit belastet die Partnerschaft, das Zusammenleben und die Harmonie in der Beziehung oft stark. Manchmal so stark, dass die Angehörigen oder Partner*innen der Betroffenen selbst depressive Symptome entwickeln. Es kommt also darauf an, sich auch gut um das eigene Wohl zu kümmern.

"Gerate ich im Zusammenleben mit meinem depressiven Partner in die Rolle der Heiligen, die sich selbst und ihre Bedürfnisse ganz zurück- oder in den Dienst des scheinbar zu Rettenden stellt, so landet er genau dort: in der Rolle eines zu Rettenden."

Was ist eine Co-Depression?

Eine Depression ist eine schwere Erkrankung, die die Lebensqualität der Betroffenen stark einschränkt. Wer unter Depressionen leidet, fühlt sich häufig niedergeschlagen, matt, müde, ohne jeden Antrieb und Lebensfreude. Und das beeinträchtigt auch die Partnerschaft. Denn wenn dein*e Partner*in ständig traurig oder schlecht gelaunt ist, zieht das auch deine Stimmung in den Keller.

Co-Abhängigkeit: Sind Depressionen ansteckend?

Das Gefangensein im Netz der*des kranken Partnerin*Partners oder von Familienangehörigen gilt für viele Erkrankungen, nicht nur bei Depressionen. Es ist zum Beispiel ein klassisches Schema in der Suchtmedizin. Bei Suchtkranken rückt das gesamte Netzwerk ins Blickfeld. Es entsteht ein sogenanntes „Suchtsystem“. Die Angehörigen des*der Suchtkranken wollen helfen, beschützen, ermahnen – rechtfertigen aber auch das Verhalten oder vertuschen die Folgen. Bei einer solchen Co-Abhängigkeit richten die Betroffenen ihr ganzes Leben nach der Erkrankung des*der Angehörigen aus.

Wie wirkt sich eine Depression auf den Alltag der Angehörigen aus?

Eine Depression schränkt den Alltag der Betroffenen stark ein – und den der Angehörigen. Bestimmt spürst du, dass dein*e Partner*in, wenn er*sie an einer Depression erkrankt ist, an Lebensfreude verliert. Sie*er ist ständig schlecht drauf, wirkt niedergeschlagen, und das färbt auf die Stimmung anderer ab. Hinzu kommt, dass Menschen mit einer Depression schnell müde werden und oft wenig Antrieb verspüren. Sie haben keine Lust, etwas zu unternehmen, vernachlässigen Hobbys und andere Aktivitäten, zeigen kaum oder gar kein Interesse an Unternehmungen, anderen Dingen oder Menschen.

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Das ist zermürbend. Denn schließlich möchtest du das Leben genießen, Spaß haben, Neues kennenlernen und die Welt entdecken. Und das alles möchtest du mit dem Menschen teilen, der dir am liebsten ist. Wenn euch keine gemeinsamen Abenteuer mehr erwarten, jede*r seinen Alltag alleine lebt, besteht die Gefahr, dass ihr euch auseinanderlebt.

Vielleicht zieht sich dein*e Partner*in sogar regelrecht zurück. Er*sie hat kein Interesse an einer Unterhaltung, lässt dich nicht an seinen oder ihren Gefühlen und Gedanken teilhaben und hört dir nicht wirklich zu. Sei es, weil er*sie das Interesse an Gesprächen verloren hat oder weil die durch die Depression eingeschränkte Aufmerksamkeit und Konzentration es ihr*ihm nicht ermöglicht, längeren Gesprächen zu folgen. Dabei erwartest du von deinem*deiner Partner*in, dass er*sie sich auch für dein Leben interessiert, du deine Probleme, Sorgen und Ängste mit ihm*ihr besprechen kannst. Eine offene, einfühlsame Kommunikation ist ein wichtiger Grundstein für eine Partnerschaft.

Auch diese Depressions-Symptome können den Alltag der Partner*innen belasten:

  • vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen
  • nachlassendes sexuelles Interesse, verminderte Libido
  • Schuldgefühle
  • ein Gefühl von Wertlosigkeit
  • stark ausgeprägter Pessimismus, immer alles „schwarzsehen“
  • übertriebene Zukunftsängste
  • mangelnde Aktivität im Haushalt und bei anderen Verpflichtungen: Der*die Partner*in fällt als „Arbeitskraft“ im Bereich der Care-Arbeit weg
  • Schlafstörungen
  • Selbstmordgedanken

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Was bedeuten Depressionen für die Beziehung?

Es ist verständlich, dass du die Depression deiner*deines Partnerin*Partners als Belastung empfindest – das geht sehr vielen Angehörigen so. Laut dem „Deutschland-Barometer Depression“ aus dem Jahr 2018 kommt es bei der Hälfte der Betroffenen zu Partnerschaftsproblemen. Mehr als acht von zehn Menschen mit Depressionen fühlen sich von ihren Partnern*Partnerinnen unverstanden und ziehen sich aus sozialen Beziehungen zurück.

3/4 der Depressions-Patient*innen empfinden keine Verbundenheit mehr zu den Menschen in ihrem Umfeld – mit schwerwiegenden Folgen. So geht fast die Hälfte der Beziehungen aufgrund der Depression in die Brüche.

Es ist belastend, wenn der*die Partner*in das Interesse an dir als Person verliert. Und auch mit seiner oder ihrer dauerhaft miesen Stimmung und Antriebslosigkeit zu leben, ist eine Herausforderung. Häufig kommt es deswegen zu Streit und schwelenden Konflikten in der Partnerschaft. Vielleicht ziehst auch du in Erwägung, dich zu trennen, weil das Leben mit einem*einer depressiven Partner*in dir selbst die Lebensfreude raubt.

Doch es gibt auch andere Fälle: Ein gutes Drittel (36 Prozent) der im Rahmen der Studie befragten Depressions-Patienten*Patientinnen sagte, dass die Erkrankung die Partnerschaft nicht ruiniert, sondern im Gegenteil sogar gefestigt und vertieft hat.

Sind Depressionen ansteckend für andere?

Wenn ein Mensch an einer Depression erkrankt ist, leidet oft sein Umfeld mit. Dabei scheint es, als wären Depressionen ansteckend. Das ist natürlich nicht der Fall – Depressionen werden schließlich nicht über Viren oder Bakterien übertragen. Aber sie kommen zum Beispiel in Familien gehäuft vor. Forschende gehen davon aus, dass es eine genetische Veranlagung für Depressionen gibt. Allerdings entscheiden meist äußere Faktoren, ob bei einem Menschen eine Depression ausbricht oder nicht. Dazu gehören zum Beispiel belastende Ereignisse oder Überforderungssituationen.

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Und genau dies könnte auch das Entstehen einer Co-Depression begünstigen. Wenn dein*e Partner*in plötzlich nicht mehr derselbe oder dieselbe zu sein scheint, sich alles nur um die Krankheit dreht, der geliebte Mensch vielleicht sogar seinen Lebensmut verliert, kann das am Ende auch die Angehörigen oder den*die Partner*in in eine Depression stürzen.

Co-Depression: Diese Warnsignale solltest du ernst nehmen

Wenn ein Mensch, der dir sehr am Herzen liegt, über Monate hinweg depressiv ist, wird das auch an dir nicht spurlos vorbeigehen. Es ist wichtig, nicht erst an die Grenzen der eigenen emotionalen Belastbarkeit zu stoßen, sondern Warnsignale früh ernst zu nehmen.

Diese Symptome können auf eine Co-Depression hindeuten:

  • Du bemerkst typische Depressions-Symptome bei dir wie Traurigkeit, Niedergeschlagenheit oder Antriebsschwäche.
  • Du blickst pessimistisch in die Zukunft.
  • Du isolierst dich zunehmend von Familie und Freund*innen.
  • Du vernachlässigst Hobbys und Freizeitaktivitäten.
  • Deine Gedanken kreisen fast ausschließlich um den*die Partner*in und seinen*ihren Zustand.
  • Du entwickelst körperliche Beschwerden wie Magen-Darm-Probleme oder Kopfschmerzen.

Wenn du diese Veränderungen bei dir bemerkst, ist es Zeit, dir Hilfe zu holen.



"Die Veränderungen, die durch den Ausbruch einer ersten depressiven Episode in einer Partnerschaft geschehen, verursachen bei den Angehörigen vor allem deshalb unglaublich viel Verunsicherung, weil sie, ohne Vorwissen oder Erfahrung, kaum als Symptome deutbar sind."

Mein depressiver Partner macht mich krank: Was kann ich tun?

Wenn der*die Partner*in unter Depressionen leidet, drohen auch die Angehörigen und Lebenspartner*innen, unter die Räder zu geraten. Das gilt es, unbedingt zu vermeiden. Denn dein eigenes Wohl ist mindestens ebenso wichtig wie das deines*deiner Partners*Partnerin. Außerdem ist niemandem damit geholfen, wenn du in einer Situation weiterlebst, in der es dir schlecht geht. Denn ohne Lebensfreude und Lebensmut kannst du auch keinen anderen Menschen auffangen – geschweige denn unterstützen. Es ist daher ungemein wichtig, bei einer Partnerschaft mit einem depressiven Menschen, den Blick für sich selbst nicht zu verlieren.

Das kannst du für dich tun, wenn du mit einem depressiven Partner oder einer depressiven Partnerin zusammen bist:

  • Informiere dich über die Krankheit: Je mehr Angehörige über Depressionen und ihre Auswirkungen wissen, desto leichter fällt es ihnen, ihre Situation einzuschätzen und damit umzugehen.
  • Ermutige deine*n Partner*in, professionelle Hilfe anzunehmen. Dadurch tust du nicht nur deinem*deiner Angehörigen einen Gefallen, sondern entlastest auch dich selbst, indem du den Druck, immer zuhören, dich kümmern und sorgen zu müssen, ein Stück weit aus der Beziehung herausnimmst.
  • Es gibt auch eine Reihe an Behandlungsangeboten, an denen du mit deinem*deiner Partner*in gemeinsam teilnehmen kannst, wie etwa eine Paarberatung. Das könnte die Beziehungsdynamik offenlegen und etwa dazu führen, dass ihr weniger streitet.
  • Stell dich auf eine lange Reise ein: Eine Depression dauert oft mehrere Monate – selbst wenn sie behandelt wird. Es dauert eine Zeit, bis Medikamente gegen Depressionen wirken und der*die behandelnde Arzt*Ärztin die richtige Medikamenten-Kombination, die richtige Dosis ermittelt hat und sich die Symptome langsam verbessern. Außerdem vergehen in der Regel mehrere Monate, bis Depressions-Patienten*Patientinnen einen Platz für eine Psychotherapie gefunden haben. Erwarte daher keine Wunderheilung. Je realistischer deine Erwartungen sind, desto besser wirst du mit der Erkrankung deines*deiner Partners*Partnerin zurechtkommen.
  • Tu weiterhin Dinge, die gut für dich sind: Gehe deinen Hobbys nach, treibe Sport – auch wenn dein Partner oder deine Partnerin dich nicht begleitet. Triff dich mit Freunden und pflege dein soziales Netzwerk. Umgib dich mit Dingen und Menschen, die dir Kraft geben.
  • Nimm, wenn nötig, selbst professionelle Hilfe in Anspruch: Suche dir eine*n Therapeut*in, schließe dich einer Selbsthilfegruppe an, um dich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Der Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen (BApK) bietet Hilfe, Beratung und Betreuung für Angehörige und ihre erkrankten Familienmitglieder.

Erfahrungen einer Angehörigen

Das Buch "Die Liebe in dunklen Zeiten - Erfahrungen einer Angehörigen" wurde unter dem Pseudonym Alina Bach von einer Betroffenen mit Co-Depression geschrieben. Im Text haben wir einige Textpassagen aus dem Buch entnommen und zitiert.

Ein Artikel von

Katrin Bermbach Gründerin und COO · Psychologin

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Quellenangaben

  1. Armstrong, U. (2011). Ärztezeitung.de: Co-Abhängigkeit – die verkannte Krankheit. www.aerztezeitung.de. https://www.aerztezeitung.de/Wirtschaft/Co-Abhaengigkeit-Die-verkannte-Krankheit-273401.html
  2. Deutsche Depressionshilfe (2018). Deutschland Barometer Depression 2018.https://www.deutsche-depressionshilfe.de/forschungszentrum/deutschland-barometer-depression/2018
  3. Deutsche Depressionshilfe (o. D.). Rat für Angehörige.https://www.deutsche-depressionshilfe.de/depression-infos-und-hilfe/rat-fuer-angehoerige
  4. Niebler, T. (o. D.). Co-Depression beim Partner – Wenn Depressionen anstecken.https://www.die-inkognito-philosophin.de/blog/co-depression-ansteckend
  5. Patienten-Information.de (o. D.). Depressionsratgeber für Angehörige.https://www.patienten-information.de/kurzinformationen/depression-ratgeber-fuer-angehoerige

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