Zurück 28 Nov 2022 · 7 min lesezeit
von Felicitas Eva Lindner
Neurotizismus

Neurose ist ein veralteter Begriff. Geprägt wurde das Konzept von Sigmund Freud. Neurotische Symptome kann man z.B. bei Zwängen finden. Wie Neurosen entstehen und wie sie behandelt werden können liest du weiter unten im Text.

Neurotizismus ist eine der fünf Grunddimensionen, die in der Psychologie zur Beschreibung der Persönlichkeit verwendet werden. Neurotizismus beschreibt in der Persönlichkeitspsychologie das gesamte Spektrum von emotionaler Labilität zu emotionaler Stabilität. Als neurotische Personen werden umgangssprachlich demnach oft Menschen bezeichnet, deren Verhalten als übertrieben oder nicht der Norm entsprechend wahrgenommen wird. Doch ist diese Bezeichnung tatsächlich so zutreffend?

Neurose Definition: Was ist neurotisch?

Was bedeutet neurotisch? Der Begriff Neurose wird als solcher in der Psychologie heute eigentlich nicht mehr verwendet. Es handelt sich dabei um eine veraltete Bezeichnung für eine psychische Störung, bei der keine erkennbare organische Ursache gefunden wird. Betroffene Personen bezeichnete man als Neurotiker*innen. Inzwischen werden die früher als Neurosen bezeichneten Erkrankungen anders beschrieben und in verschiedene Gruppen eingeteilt.

  • Zwangsstörungen: Zwangsgedanken sind Vorstellungen, Gedanken oder Impulse, die Betroffene als unsinnig oder übertrieben erkennen, die also nicht ihre eigene Meinung wiedergeben, die sich aber dennoch immer wieder aufdrängen. Sie lösen unangenehme Gefühle wie Ängste, Unbehagen oder Ekel aus. Zwangshandlungen sind sich wiederholende Verhaltensweisen, die oft immer gleich ablaufen müssen und zu denen sich der Betroffene gedrängt fühlt, obwohl er sie als übertrieben oder sinnlos erkennt. Zwangshandlungen haben oft zum Ziel, Ängste, Unbehagen oder Ekel zu verringern, welche durch Zwangsgedanken ausgelöst worden sind.
  • Angststörungen: Zu den Angststörungen gehören zum Beispiel spezifische Phobien, wie die Flugangst oder die Klaustrophobie, aber auch die Panikstörung oder die generalisierte Angststörung.
  • Somatoforme Störungen: Somatoforme Störungen sind körperliche Beschwerden, die nicht auf eine organische Ursache zurückgeführt werden können. Dazu zählt zum Beispiel die Hypochondrie. 
  • Dissoziative Störungen: Bei einer dissoziativen Störung verändert sich die Wahrnehmung der Betroffenen. Das kann die Eigenwahrnehmung, wie man andere Menschen wahrnimmt, oder auch die Wahrnehmung des Umfelds betreffen. Das kommt zum Beispiel bei der Depersonalisation vor, bei der Betroffene sich  losgelöst von ihrem eigenen Körper, ihren Gefühlen und/oder Empfindungen wahrnehmen.

Auch die Hypochondrie, also die Angst bzw. die Überzeugung, unter einer unerkannten schweren körperlichen Erkrankung zu leiden, oder paranoide und schizoide Erkrankungen zählen zu den neurotischen Störungen. Zudem haben auch Essstörungen mit zwanghaftem Verhalten zu tun, werden aber als eigenständige psychische Störungen klassifiziert.

Was hat Sigmund Freud mit Neurosen zu tun?

Der Begriff der Neurose wurde sehr stark durch den Psychoanalytiker Sigmund Freud geprägt. Viele Theorien, die sich mit Neurosen beschäftigen, stammen aus der psychoanalytischen Schule. 

Neurose vs. Psychose

Früher galten Psychosen als Gegenstück zu Neurosen. Eine Psychose wurde als ein Zustand definiert, in dem Betroffene keinen Realitätsbezug oder keinen Bezug zum eigenen Selbst haben oder diesen verloren haben. Das trifft zum Beispiel dann zu, wenn Betroffene unter Halluzinationen oder Wahnvorstellungen leiden. Betroffenen ist ihre Erkrankung oft nicht oder nur zu einem geringen Teil bewusst. Im Gegensatz dazu ist Personen, die unter einer Neurose leiden, ihre Erkrankung durchaus bewusst. Eine Person, die Angst vor Spinnen hat, weiß zum Beispiel, dass die Angst übertrieben  ist. Es fällt ihr jedoch schwer, die Angst zu überwinden.

Neurose Symptome: Wie äußert sich eine Neurose?

Die Symptome der Erkrankungen, die unter den veralteten Neurosebegriff fallen, sind sehr unterschiedlich und unterscheiden sich je nach Krankheit.

  • Symptome von Phobien: Phobien sind durch meist irrationale Ängste gekennzeichnet. Die Angst bezieht sich dabei auf eine bestimmte Situation, ein Objekt oder auf Personen. Die Ängste können so stark sein, dass sie den Alltag Betroffener stark einschränken.
  • Symptome von Zwangsstörungen: Bei einer Zwangsstörung stehen die so genannten Zwangshandlungen oder Zwangsgedanken im Vordergrund. Es handelt sich dabei um sich immer wiederholende Gedanken oder Handlungen, die nur schwer gestoppt  werden können. 
  • Symptome einer generalisierten Angststörung: Eine generalisierte Angststörung ist durch sehr präsente Sorgen und Gedankenkreisen gekennzeichnet. Die Sorgen beziehen sich dabei auf ganz alltägliche Dinge und können auch körperliche Symptome auslösen.

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Viele neurotische Störungen sind auch mit starken Stimmungsschwankungen, Ängsten oder Unsicherheiten verbunden. Ängste und Stress wiederum können sich auch körperlich äußern und psychosomatische Beschwerden auslösen. Zudem sind Betroffene durch ihre Erkrankung oft im Alltag eingeschränkt und ziehen sich sozial zurück.

Ursachen: Wie entstehen Neurosen?

Die Entstehung von neurotischen Störungen kann durch viele verschiedene Faktoren beeinflusst werden:

  • Persönlichkeit: Individuelle Charakterzüge wie zum Beispiel Emotionen eher zu vermeiden oder Schüchternheit
  • schwierige Lebensphasen oder Übergangsphasen
  • situative oder soziale Einflüsse von außen, die sich ungünstig auf die Betroffene Person auswirken, diese gehen oft einher mit unzureichender Beachtung und Zuneigung
  • intensive und akute Stress- oder Belastungssituationen
  • emotionale oder körperliche Traumata

Unterschiedliche psychologische Richtungen gehen auch von unterschiedlichen möglichen Auslösern von neurotischen Erkrankungen aus.

Lerntheorie

Die Lerntheorie besagt, dass Neurosen dann entstehen, wenn ein erlerntes Verhalten einer Situation nicht angemessen ist oder einer Beziehung nicht entspricht. Das passiert, wenn erlernte Muster, die in früheren Situationen hilfreich waren, so nicht mehr auf aktuelle Situationen angewendet werden können.

Psychoanalyse

Die Psychoanalyse hingegen geht davon aus, dass Neurosen dann entstehen, wenn in der Kindheit entstandene Konflikte nicht gelöst werden. Solche Konflikte können der Psychoanalyse zufolge zum Beispiel nicht ausgelebte Ängste oder sexuelle Probleme sein. Die Psychoanalyse besagt, dass eben diese Konflikte im Unterbewusstsein verankert bleiben und Neurosen sich als Versuch zeigen, diese unbewussten Konflikte zu verdrängen oder zu lösen.

Wie behandelt man eine Neurose?

Auch bei der Therapie von Neurosen hängt es davon ab, um welche Erkrankung es sich tatsächlich handelt. Somatoforme Störungen werden demnach anders therapiert als eine Phobie. Um die wichtige Therapieform zu finden, ist es außerdem wichtig, in einem Anamnesegespräch mit deinem ärztlichen oder psychotherapeutischen Fachpersonal herauszufinden, wie schwer deine Erkrankung ist und welche Therapieform gut zu dir passt.

Psychische Erkrankungen, die unter den Oberbegriff der Neurosen fallen, werden in der Regel mit der Gabe von Medikamenten und/ oder durch eine Psychotherapie behandelt. Welche Form der Psychotherapie am besten geeignet ist, kommt auf dich und deine Erkrankung an. Viele neurotische Störungen werden durch eine Verhaltenstherapie, eine analytische Psychotherapie oder eine tiefenpsychologisch fundierte Therapie behandelt.

Selbsthilfe: Was du selbst bei Neurosen tun kannst

Wenn du unter einer Neurose leidest gibt es auch einige Dinge, die du selbst tun kannst. 

Teile dich mit

Zunächst ist Offenheit ein wichtiger Punkt. Wenn du das Gefühl hast, unter einer neurotischen Störung zu leiden, sprich darüber. Suche dir eine oder mehrere Personen, bei denen du dich wohlfühlst und vertraue dich ihnen an. Es kann mitunter schon entlastend wirken, deine Gefühle zu äußern und mit anderen Personen über deine Situation und deine Gedanken zu sprechen. 

Minimiere Belastungen

Wenn du dich gestresst und ausgelaugt fühlst, dann kann es helfen, einen Gang zurückzuschrauben. Wenn du konkrete Stressoren identifizieren kannst, dann versuche diese zu minimieren. Versuche, dir bewusst Freiräume zu schaffen und dir Zeit zum Abschalten und zur Regeneration zu nehmen. 

Johanniskraut 

Die Einnahme von hochdosiertem Johanniskraut kann stimmungsaufhellend wirken. Hochdosiert heißt: Mindestens 900 g pro Tag. Wenn du diese Dosis regelmäßig einnimmst, tritt nach ca. zwei bis drei Wochen eine Wirkung auf. Achte dabei darauf, dass Johanniskraut die Empfindlichkeit der Haut für Sonnenlicht erhöhen kann.

So kannst du Neurosen vorbeugen

Wenn du der Entwicklung einer neurotischen (Persönlichkeits-) Störung vorbeugen möchtest, können folgende Tipps hilfreich für dich sein:

  • Vermeide Stress und schaffe Ausgleich durch Bewegung. Achte auf ausreichend soziale Kontakte, genauso aber auf ausreichend Zeit für dich. Auch deine Ernährung spielt eine wichtige Rolle. Versuche gesund und ausgewogen zu essen. So kannst du deine Resilienz stärken und auf belastende Situationen mit mehr Widerstandskraft reagieren.
  • Setze dich mit deinen Emotionen auseinander. Versuche, Unangenehmes nicht zu verdrängen, sondern dich damit auseinanderzusetzen, um Erlebtes zu verarbeiten.
  • Wenn du Kinder hast oder mit Kindern im Kontakt bist, kannst auch durch dein Verhalten dazu beitragen, dass die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung einer neurotischen Persönlichkeitsstörung eher gering bleibt: Versuche, auf Kinder nicht zu viel Druck auszuüben. Insbesondere sehr hohe Erwartungen in Bezug auf Leistung oder unangemessene Strafen können sich negativ auf die Entwicklung der Kinder auswirken. Stattdessen, achte darauf, deinen Kindern ein*e Ansprechperson zu sein und sie darin zu ermutigen, über Emotionen, Ängste und mögliche Verletzungen zu sprechen.

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Ein Artikel von

Felicitas Eva Lindner Redakteurin · Journalismus M.A. | Psychologie B.Sc. | Psychologie M.Sc.

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Quellenangaben

  1. Freud, S. (2021). Aus der Geschichte einer infantilen Neurose (Vol. 20). BoD–Books on Demand.
  2. Kahle, Charly (2020). Neurose. Online verfügbar unter https://www.meine-gesundheit.de/krankheit/krankheiten/neurose [28.11.22].
  3. Posmyk, Wiebke (o.J.). Neurose. Online verfügbar unter https://www.onmeda.de/krankheiten/neurose-id200650/ [28.11.22].
  4. Simons, M. (2009). Zwangsstörung. In Lehrbuch der Verhaltenstherapie (pp. 629-645). Springer, Berlin, Heidelberg.
  5. van den Heuvel, O. A., Veale, D., & Stein, D. J. (2014). Hypochondriasis: considerations for ICD-11. Brazilian Journal of Psychiatry, 36, 21-27.

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