Zurück 16 Jan 2023 · 7 min lesezeit
von Felicitas Eva Lindner
Aggressionsprobleme

Bei Frustration andere anschreien, auf einen Gegenstand einschlagen, Gegenstände werfen. Wer mit einer Neigung zu aggressivem Verhalten kämpft, schadet damit oft nicht nur sich selbst und seinen*ihren Beziehungen, sondern auch anderen Menschen. Körperlich und psychisch. Wie kann man einen besseren Umgang mit eigenen Aggressionen und denen anderer finden, woran erkennt man Menschen, die unter Aggressionsproblemen leiden und wie kann man diese besser in den Griff bekommen?

Was sind Aggressionen?

Aggressionen oder aggressives Verhalten werden so definiert, dass von einer Person bewusst ein Verhalten ausgeht, das zum Ziel hat, einer anderen Person, einem anderen Lebewesen oder einem Gegenstand Schaden zuzufügen, der sowohl sichtbar als auch nicht von außen erkennbar sein kann.

Wie erkennt man einen aggressiven Zustand?

Kann man erkennen, wenn eine Person gerade in einen aggressiven Erregungszustand kommt? Aggressionen sind kulturunabhängig und ein aggressiver Erregungszustand zeigt sich bei allen Menschen sehr ähnlich. Zu häufig beobachteten Merkmalen eines solchen Zustandes gehören die folgenden Symptome:

  • Muskelver- oder -anspannung
  • geballte Fäuste
  • Unruhe und Bewegungsdrang, zum Beispiel beobachtbar in ständigem Hin- und Herlaufen
  • starkes Gestikulieren
  • Verkrampfungen
  • erstarrte Mimik
  • Schreien, Beschimpfungen und Drohungen
  • Gewalt gegenüber Menschen oder Gegenständen, zum Beispiel sichtbar durch Treten, Schlagen oder Zerstören
  • starkes Schwitzen und Hitzewallungen
  • höhere Herzfrequenz und höherer Blutdruck
  • Erröten
  • Zittern

Ständig gereizt: Woher kommt aggressives Verhalten?

Es gibt unterschiedliche wissenschaftliche Theorien darüber, wie Aggression entsteht. Grundsätzlich gibt es aber zunächst einige Trigger oder Motive, die zu aggressivem Verhalten führen können. Dazu zählen zum Beispiel die folgenden:

  • Gefühle wie Hilflosigkeit, Enttäuschung, Wut, Verzweiflung, Angst oder Minderwertigkeitsgefühle
  • Gewalterfahrungen, Missachtung oder Extremsituationen
  • Liebes- oder Zuwendungsentzug oder -defizit
  • Verteidigung von Eigentum, Rang oder Rivalität um Partner*innen
  • Empfindungen von Ungerechtigkeit

Mögliche Erklärungsansätze für aggressives Verhalten sind zum Beispiel die Lernerfahrung, positive Verstärker, Gene und die Triebtheorie.

Bandura hat 1963 die so genannte “Bobo-doll”-Studie durchgeführt. In dieser Studie wurde gezeigt, dass Kinder, die bei Erwachsenen aggressives Verhalten gegenüber Puppen beobachteten, dieses Verhalten gegenüber den Puppen imitierten. Kinder hingegen, die friedliche Erwachsene beobachteten, zeigten weniger aggressives Verhalten.

Eltern, die ihre Kinder für aggressives Verhalten belohnen, verstärken dieses Verhalten. Das passiert oft dann, wenn Eltern ihren Kindern insbesondere das geben, was sie sich wünschen, wenn sie schreien oder anderweitiges aggressives Verhalten zeigen, da sie hoffen, dass es die Kinder beruhigen wird. Auch das wird in der Psychologie als erlerntes Verhalten bezeichnet.

Allgemein sieht die aktuelle wissenschaftliche Forschung vier Theorien über die Gründe für die Entstehung von Aggressionen.

  1. der Wunsch nach dem Durchsetzen eigener Interessen, die von anderen Personen nicht so geteilt werden
  2. um Aufmerksamkeit anderer auf sich zu lenken
  3. als Reaktion auf aggressives Verhalten eines Gegenübers
  4. als “Rache”, wenn man selbst Opfer von aggressivem Verhalten geworden ist

Aggression ist nicht gleich Aggression

Neben unterschiedlichen Gründen für die Entstehung von aggressivem Verhalten gibt es auch unterschiedliche Formen von Aggression:

  • Autoaggression: Von Autoaggression spricht man dann, wenn das zu Tage tretende aggressive Verhalten sich gegen die eigene Person richtet, also wenn man sich selbst gegenüber Aggression zeigt.
  • Appetitive Aggression: Bei der appetitiven Aggression führt das ausgeführte aggressive Verhalten dazu, dass die ausführende Person positive Erregung wahrnimmt. Das Verhalten ist geplant und zielt bewusst darauf ab, einer anderen Person Schaden zuzufügen.
  • Erleichternde Aggression: Bei der erleichternden Aggression geht es ebenfalls darum, der anderen Person bewusst Schaden zuzufügen. Das Ziel ist jedoch nicht, positive Erregung zu erzeugen, sondern bei der ausführenden Person den unangenehmen Gefühlszustand abzuschwächen 
  • Heiße Aggression: Bei der heißen Aggression ist die ausführende Person so angespannt und erregt, dass die Selbststeuerung massiv beeinträchtigt ist. Muskeln sind angespannt, der Puls ist oft erhöht und der Atem flach und beschleunigt, zudem schreien Täter*innen oft. Dieser Zustand eskaliert oft in einem Wutausbruch. 
  • Indirekte Aggression: Bei der indirekten Aggression ist die ausführende Person innerlich gehemmt oder auch aufgrund von äußeren Umständen kommt es nicht zu einem körperlichen Angriff. Stattdessen wird die Aggression indirekt ausgeführt, so zum Beispiel in Form von emotionaler Gewalt, Mobbing oder durch Formen wie Diebstahl. 
  • Instrumentelle Aggression: Die instrumentelle Aggression dient in der Regel einer bestimmten Zielerreichung und ist bewusst geplant. Wie auch bei der appetitiven Aggression führt die Ausführung zu positiver Verstärkung bei dem*der Täter*in.
  • Kalte Aggression: Bei der kalten Aggression werden Emotionen vom Verhalten abgespalten, um die Aggression zielgerichtet, bewusst gesteuert und rational durchführen zu können.
  • Konstruktive Aggression: Bei der konstruktiven Aggression geht es auch darum, ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Im Gegensatz zu vielen anderen Formen der Aggression geht es aber nicht darum, sich selbst oder einer anderen Person Schaden zuzufügen.
  • Negative Aggression: Als negative Aggression wird eine Form der Aggression bezeichnet, die in der Gesellschaft so nicht toleriert wird.
  • Offene Aggression: Bei der offenen Aggression wird diese deutlich, entweder durch einen körperlichen oder verbalen Angriff, gezeigt.
  • Passive Aggression: Die passive Aggression ist eine Form der Aggression, bei der die ausführende Person die Aggression nicht offen zeigt. Für das Opfer oder Gegenüber ist der Konflikt jedoch deutlich spürbar, ebenso der fehlende Wille, diesen offen auszutragen. Passive Aggression äußert sich meist durch unkooperatives Verhalten oder auch Manipulation.
  • Physische Aggression: Bei der physischen Aggression geht es darum, die äußerliche Unversehrtheit eines Objekts oder eines Opfers anzugreifen. Sie zeigt sich zum Beispiel durch Vandalismus, Missbrauch oder Schlagen.
  • Positive Aggression: Im Gegensatz zur negativen Aggression handelt es sich bei der positiven Aggression um eine Form der Aggression, die gesellschaftlich akzeptiert wird.
  • Reaktive Aggression: Die reaktive Aggression zielt darauf ab, einer anderen Person Schaden zuzufügen und wird durch negative Verstärker gesteuert. Sie ist feindlich und defensiv geprägt.
  • Verdeckte Aggression: Bei der verdeckten Aggression handelt es sich um eine Aggressionsform, die nicht real ausgeführt wird, sondern nur in der Phantasie stattfindet.

Einmal aggressiv, immer aggressiv? So kannst du Aggression bewältigen

Was kann man gegen Aggressionen machen? Es gibt verschiedene Möglichkeiten, einen positiveren Umgang mit Aggression zu finden und sie zu bewältigen. Auch nicht jede Form der Aggression muss zwangsläufig behandelt werden. Grundsätzlich gilt aber, sobald man sich selbst oder andere in Gefahr bringt, ist es sinnvoll, Psychotherapeut*innen oder Psychiater*innen aufzusuchen. Ebenso wenn es bereits eine Strafanzeige gegeben hat.

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Folgende Möglichkeiten gibt es, um Aggression langfristig besser zu bewältigen:

Aktivitäten

Bei Aggressionen handelt es sich oftmals um aufgestaute Emotionen oder Energie, die nicht angemessen bearbeitet und abgebaut wurden, sondern oftmals eher unterdrückt. Um dadurch Schaden an anderen Personen, Lebewesen oder Gegenständen zu vermeiden, gibt es einige Tipps zur Aggressionsbewältigung:

  • Sport: Bewegung, insbesondere Ausdauertraining, kann helfen, angestaute Emotionen abzubauen.
  • Entspannungstechniken: Achtsamkeitstrainings, Atemtechniken, autogenes Training, Meditationen oder die progressive Muskelrelaxation nach Jacobson können dabei helfen, das allgemeine Stresslevel zu senken.
  • Ablenkung: Wenn du merkst dass Gefühle wie Wut oder Ärger in dir aufsteigen und Aggression lostreten, dann kann es helfen, bewusst das Gesprächsthema zu ändern, das äußere Setting zu wechseln, vielleicht in einen anderen Raum oder kurz an die frische Luft zu gehen. 
  • Aggressionsabbau: Aggressionen können auch an dafür geeigneten Orten abgebaut werden. Es kann zum Beispiel helfen, in den Wald zu gehen, um dort laut zu schreien, bei Zerstörungsenergie Pappe zu zerreißen oder Therapieknete zu kneten. Auch lautes Musikhören, mitsingen und tanzen können helfen, Aggressionen abzubauen.

Anti-Aggressionstherapie

Eine Psychotherapie kann Abhilfe bei Aggressionen leisten. Es kann erlernt werden, einen angemessenen Umgang mit dem eigenen Aggressionstrieb zu finden. Das bedeutet, es wird vermittelt, wie Aggression kontrolliert oder angemessen zugelassen werden kann. Gleichzeitig werden Strategien erlernt, die dabei helfen sollen, unangemessene Aggression zu vermeiden oder unterdrückte Emotionen zuzulassen.

Für einen gewissen Zeitraum kann eine Psychotherapie bei Aggression auch durch die Gabe von Medikamenten begleitet werden. Medikamente, per se gegen Reizbarkeit und Aggressionen, gibt es so nicht. Daher sollte die medikamentöse Therapie eher kürzer gehalten werden. Bei akuten Zuständen können kurzfristig Neuroleptika oder Benzodiazepine gegeben werden.

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Ein Artikel von

Felicitas Eva Lindner Redakteurin · Journalismus M.A. | Psychologie B.Sc. | Psychologie M.Sc.

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Quellenangaben

  1. Bandura, A., Ross, D., & Ross, S. A. (1963). Imitation of film-mediated aggressive models. The Journal of Abnormal and Social Psychology, 66(1), 3.
  2. oberbergkliniken.de (o.J.). Aggressionen. Die Wut in den Griff bekommen. Online verfügbar unter https://www.oberbergkliniken.de/symptome/aggressionen [09.01.23].
  3. Fädrich, Stefan (o.J.). Bewältige mit Coaching deine Aggressionsprobleme. Online verfügbar unter https://greator.com/aggressionsprobleme/ [09.01.23].
  4. Krämer, Ulrich (o.J.). Aggressive Menschen erkennen: Diese 3 Aggressions-Typen solltest du kennen, um richtig auf Provokationen zu reagieren. Online verfügbar unter https://www.evidero.de/umgang-mit-aggressiven-menschen [09.01.23].

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