Zurück 05 Oct 2022 · 16 min lesezeit
von Felicitas Eva Lindner

Wenn du unter einer psychischen Erkrankung leidest, können die Online-Kurse von Selfapy ein erster Schritt in die richtige Richtung sein. Unser Fragebogen gibt dir eine erste Einschätzung, ob die Kurse für dich in Frage kommen. Außerdem kannst du einen Termin für ein kostenfreies Infogespräch mit unseren Psycholog*innen vereinbaren.

Wie geht man mit einem schweren Schicksalsschlag um, mit Gefühlen der Hilflosigkeit und Verzweiflung nach einem schrecklichen Erlebnis? Die Traumatherapie kann Menschen dabei helfen, solche Erlebnisse zu verarbeiten und nach vorne zu blicken.

Was ist eine Traumatherapie?

Eine Traumatherapie ist eine besondere Form der Psychotherapie, die Menschen hilft, ein Trauma verarbeiten zu können. Aber was ist eigentlich ein Trauma? Als Trauma bezeichnet man die psychischen Folgen von einem katastrophalen Erlebnis. Das kann zum Beispiel nach einem schweren Unfall, dem Erleben einer Naturkatastrophe oder auch nach Misshandlungen vorkommen. Das Klassifikationssystem ICD-10 beschreibt ein Trauma wie folgt:

“Ein traumatisches Ereignis wird von jedem Menschen als extrem belastend oder katastrophal empfunden. Ein solches Ereignis zeichnet aus durch schwere Bedrohung von Leib und Leben. Auch Zeugen von extrem bedrohlichen Situationen können betroffen sein. Traumatische Situationen können Naturkatastrophen, von Menschen verursachtes schweres Unheil, Kampfhandlungen, schwere Unfälle, Folter und sexualisierte Gewalt sein.”

Daraus resultierende psychische Erkrankungen können sein:

  • Akute Belastungsreaktion: Eine akute Belastungsreaktion wird durch eine ungewöhnliche psychische oder auch körperliche Belastung ausgelöst. Die Symptome der akuten Belastungsreaktion halten in der Regel nur wenige Stunden oder Tage an.
  • Posttraumatische Belastungsstörung: Eine PTBS wird durch ein schweres, katastrophales Ereignis ausgelöst. Dieses Ereignis ist so schlimm, dass es fast jede person vor enorme Herausforderungen und Gefühle der Verzweiflung stellen würde. Symptome können oft erst nach mehreren Wochen, Monaten oder auch Jahren auftreten. 
  • Anpassungsstörung: Eine Anpassungsstörung entsteht dann, wenn eine psychosoziale Belastung in einem enormen Ausmaß auftritt. 

Welches Erlebnis nun ein Trauma ist und welches nicht, hängt sehr von der betroffenen Person ab und davon, wie sie das Erlebnis und dessen Folgen empfindet. Oft entsteht insbesondere dann nach dem Ereignis ein Gefühl der Überforderung und Hilflosigkeit, wenn Betroffene in der Situation selbst das Gefühl hatten, ihr ausgeliefert zu sein und ihr nicht entfliehen zu können. Nicht immer können sich Betroffene an ein Erlebnis, das ihr Trauma ausgelöst hat, erinnern, fühlen aber die Belastung selbst. Das kommt zum Beispiel vor, wenn Betroffene zum Zeitpunkt des Geschehens noch sehr jung waren oder wenn das Ereignis verdrängt wurde. Aber auch in so einem Fall kann ärztliches oder psychotherapeutisches Fachpersonal helfen. Zunächst wird eine Diagnose gestellt und im Anschluss die passende Therapie vorgeschlagen. Auch oder insbesondere bei Kindern und Jugendlichen ist therapeutische Unterstützung nach einem erlebten Trauma sehr wichtig. Bleibt ein Trauma in diesem Alter unentdeckt, kann das negative Auswirkungen für den restlichen Verlauf des Lebens haben und sich sowohl auf die physische als auch auf die psychische Gesundheit auswirken. Bei Kindern und Jugendlichen geht es in einer Traumatherapie vor allem darum, einen sicheren Raum und ein sicheres Umfeld zu schaffen, das auch durch das Umfeld der Betroffenen unterstützt werden soll. So sollen ein Gefühl von Geborgenheit und Struktur in den Alltag der Kinder und Jugendlichen gebracht werden.

In welchem Therapiesetting eine Traumatherapie stattfindet, ist individuell verschieden. Sie kann in eine Verhaltenstherapie oder eine tiefenpsychologisch fundierte Therapie integriert sein, als ambulante Traumatherapie oder in einem stationären Setting stattfinden.

Wie lange dauert eine Traumatherapie?

Wie lange eine Therapie bei einem Trauma dauert, ist individuell sehr verschieden. Grundsätzlich gilt, dass jede Therapie verlängert werden kann, wenn die Notwendigkeit besteht und die betroffene Person das möchte. Wenn es sich um eine ambulante Therapie handelt, werden meist ein bis zwei Sitzungen pro Woche angesetzt. Für die tatsächliche Konfrontation mit dem Trauma setzen manche Therapeut*innen auch Doppelsitzungen an. 

Symptome eines Traumas

Betroffene eines Traumas versuchen oft, alle ähnlich scheinenden Situationen zu vermeiden. Betroffene haben oft auch mit Konzentrationsschwierigkeiten, Ein- und Durchschlafproblemen sowie oft auch mit Schreckhaftigkeit zu kämpfen. Bei vielen Personen legen sich diese Symptome nach dem Ereignis, bei einigen der Betroffenen bleiben diese jedoch bestehen und es kann sich eine posttraumatische Belastungsstörung entwickeln. Als Folge können sich auch andere psychische Erkrankungen wie Angststörungen, Depressionen oder Suchterkrankungen entwickeln.

Es gibt auch körperliche Symptome, die Anzeichen eines Traumas sein können. Eine Belastung durch ein Trauma kann auch Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems sowie Asthma und Arthritis auslösen. 

Traumatherapie: Ablauf

Wie eine Traumabehandlung abläuft, hängt davon ab, um was für ein Trauma es sich bei der betroffenen Person handelt. Man unterscheidet zwei Arten von Traumata.

  1. Typ-I-Trauma: liegt dann vor, wenn etwas einmal passiert ist, zum Beispiel ein schlimmer Unfall
  2. Typ-II-Trauma: liegt dann vor, wenn etwas häufiger auftritt, zum Beispiel eine wiederholte Misshandlung

Eine Traumatherapie gliedert sich in drei Phasen: die Stabilisation, die Traumabearbeitung und die Integration.

Phase 1: Stabilisation

Eine Traumatherapie hat zunächst das Ziel, die Betroffenen emotional zu entlasten. Dafür ist es wichtig, dass Patient*innen der therapierenden Person vertrauen und sich in und mit der Therapie wohlfühlt. Die Phase der Stabilisation kann oftmals länger dauern, da Therapeut*innen hier nicht zu schnell vorgehen dürfen. Es kann Traumapatient*innen schnell überfordern, wenn Therapeut*innen sich zu schnell an das Erlebte heranwagen. Vorrangig ist in dieser ersten Phase, den Betroffenen emotionale Stabilität zu ermöglichen. 

Diese Stabilität kann durch den Einsatz unterschiedlicher Techniken erarbeitet werden. Hier ist wichtig, dass die betroffene Person lernt, sich selbst Sicherheit zu geben. Das kann zum Beispiel durch Imagination gelingen. In ihrer eigenen Vorstellungskraft versucht die betroffene Person sich einen Ort vorzustellen, an dem sie sich sicher fühlt. Es ist Teil der Therapie, diesen Ort möglichst genau zu beschreiben und zu entdecken, damit Betroffene in Gedanken dahin zurückkehren und Schutz suchen können. An diesem Ort kann es außerdem auch andere helfende Personen geben, die in schwierigen Situationen zusätzlichen Schutz und Sicherheit geben können und insbesondere die verletzlichen Anteile der Traumapatient*innen beschützen sollen. Dieses und andere Hilfsmittel werden in und außerhalb der Therapiestunde eingeübt.

Phase 2: Traumabearbeitung

Erst nach der Stabilisation und dem Versuch, die Patient*innen wieder in eine emotional entlastete Situation zu bringen, geht es in der Traumatherapie darum, den Patient*innen dabei zu helfen, sich mit dem Trauma auseinanderzusetzen. Das bedeutet auch, dass Patient*innen sich aktiv mit dem konfrontieren, was sie erlebt haben. Therapeut*innen ermutigen Betroffene in dieser Phase der Therapie in der Regel dazu, sich mit ihren Ängsten auseinanderzusetzen und sich ihnen zu stellen. Haben sie zum Beispiel ein Trauma durch ein Zugunglück erlebt, ermutigen Therapeut*innen Betroffene dazu, wieder Zug zu fahren und das Vertrauen zu fassen, dass vorhandene Ängste nicht erfüllt werden. Von Mal zu Mal wird die Angst schließlich geringer werden und Patient*innen lernen, dass Befürchtungen nicht eintreten. Bei der Konfrontation handelt es sich um eine verhaltenstherapeutische Methode, bei der Patient*innen von ihren Therapeut*innen begleitet werden.

Neben der Traumakonfrontation geht es in dieser Phase der Therapie auch darum, dass Betroffene Techniken erlernen können, die ihnen dabei helfen, ihre Ängste besser zu kontrollieren. Das kann zum Beispiel unterschiedliche Atemtechniken oder durch die Gedanken-Stopp-Technik gelingen.

Gedanken-Stopp-Technik

Diese Technik funktioniert so, dass Betroffene zunächst über ihren Gedankengang berichten. Therapeut*innen rufen dann laut “Stopp”, um diesen Gedankengang zu unterbrechen. Ein wenig abgewandelt können Betroffene eine ähnliche Technik auch selbst anwenden: Sie lernen, sich gedanklich ein großes, rotes Stoppschild vorzustellen, sobald sie merken, dass ihre Gedanken beginnen, um ein bestimmtes, besorgniserregendes Ereignis zu kreisen. Das bringt die Aufmerksamkeit für kurze Zeit weg von dem angstauslösenden Gedanken. Um dann nicht sofort wieder in destruktive Gedanken-Karusselle zu verfallen, werden Betroffene im Anschluss dazu angehalten, ihre Aufmerksamkeit auf etwas anderes zu bringen. So können sie sich in Gedanken beispielsweise auf einen Fluss konzentrieren, auf eine schöne Blumenwiese, eine ihnen nahestehende Person, irgendetwas, was sie entspannt und sich gut anfühlt.

Traumatisierte Personen sind unter Umständen noch nicht in der Lage, ihre Gefühle angemessen zu steuern. Um sich im Rahmen einer Therapie auf positive Weise mit dem Erlebten auseinandersetzen zu können, müssen Patient*innen bereits wieder über eine angemessene Emotionsregulation verfügen und somit auch fähig sein, aufkommenden Stress und aufkommende Anspannung abzubauen.

Traumatherapie: Methoden

Es gibt unterschiedliche Methoden, die in einer Therapie zur Traumakonfrontation eingesetzt werden. Im Zentrum dieser Methoden steht in der Regel das erneute Durchleben der traumatischen Situation, um traumatische Erlebnisse verarbeiten zu können.

EMDR

Ein sehr häufig angewendetes Verfahren ist das Eye Movement Desensitization and Reprocessing. Übersetzt bedeutet das: Augenbewegungs-Desensibilisierung und Wiederverarbeitung. Betroffene sollen also durch ihre Augenbewegungen desensibilisiert werden und so das Trauma verarbeiten können. EMDR funktioniert wie folgt:

Die betroffene Person versucht, sich emotional zurück in die traumatische Situation zu versetzen. Währenddessen bewegt der*die Therapeut*in eine Hand schnell vor den Augen der betroffenen Person hin und her, während diese der Hand mit den Augen folgt. Durch die schnelle Augenbewegung sollen die Ängste, die durch das Trauma ausgelöst werden, gelindert werden. Das funktioniert deshalb, da diese schnellen Augenbewegungen den Augenbewegungen in der REM-Schlafphase ähneln. Die REM-Schlafphase dient unter anderem dazu, tatsächlich Erlebtes zu verarbeiten, was oft durch intensives Träumen passiert. Die in der Traumatherapie künstlich hergestellte Augenbewegung soll dabei helfen, auf Erinnerungen zurückzugreifen und sie zu verarbeiten.

Somatic Experiencing

Beim Somatic Experiencing geht es vor allem um das Arbeiten mit körperlichen Prozessen. Oftmals führen die Emotionen der Hilflosigkeit eines Traumas zu Erstarrung. Das Somatic Experiencing soll dabei helfen, dass Betroffene wieder selbst und aktiv neue Möglichkeiten entwickeln können, indem sie ihre Aufmerksamkeit auf körperliche Prozesse lenken.

Da beim Somatic Experiencing Schritt für Schritt vorgegangen wird, gilt es als eine besonders schonende Form der Traumabe- und -verarbeitung.

Psychodynamische Psychotherapie

In der Psychodynamik stehen Vorgänge, die im Unterbewusstsein Betroffener stattfinden, im Vordergrund. Es geht darum, diese unbewussten Wirkungen im Zusammenhang mit dem Trauma aufzuspüren und zu bearbeiten.

Die psychodynamische Therapie gibt außerdem der Beziehung zwischen der therapierenden und der betroffenen Person einen besonderen Stellenwert. Der*die Therapeut*in verhält sich nicht überwiegend neutral, sondern versucht sehr einfühlsam, wertschätzend und unterstützend zu den Patient*innen zu sein. Außerdem werden den Betroffenen auch in der Psychodynamik Strategien an die Hand gegeben, die ihnen helfen sollen, eigene Ressourcen zu aktivieren und zu nutzen sowie Entspannungstechniken zu erlernen.

Narrative Expositionstherapie

Die Therapiemethode der narrativen Konfrontation arbeitet vor allem mit dem Erzählen und ist oft Teil einer längeren oder tiefergehenden Therapie. Hierbei geht es darum, einzelne Erinnerungsfetzen an das Trauma zu einer ganzen Geschichte zusammenzusetzen, die so Teil der eigenen Biografie werden darf. Patient*innen sollen ihre Geschichte auch schriftlich festhalten, um so die Möglichkeit zu haben, auch ihre Gedanken und Emotionen zu beschreiben und eventuell eine Bedeutung in dem Erlebten zu finden.

Life-Review-Technik

In dieser Methode der Traumatherapie geht es darum, dass Betroffene einen Rückblick auf ihr Leben werfen und sowohl über ihre angenehmen als auch ihre unangenehmen Erinnerungen sprechen. Das Ziel soll sein, dass das Trauma und die damit verbundenen Emotionen nicht alle anderen Erinnerungen überschattet. Zudem geht es auch hier darum, die traumatischen Erinnerungen in einer Geschichte zusammenzufassen.

Die therapierende Person versucht außerdem, die hilfreichen Bewältigungsstrategien der Patient*innen zu fördern und zu stärken. Außerdem werden Betroffene ermutigt, in dem, was sie erlebt haben, irgendeine Art von Sinn zu finden. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass sich durch die traumatische Erfahrung Werte verändert haben und sich das positiv auf das Leben Betroffener auswirken kann.

Schonende Traumatherapie

Wie der Name schon sagt, zielt die schonende Traumatherapie darauf ab, unangenehme Emotionen und die Belastung Betroffener während der Therapie auf ein Minimum zu halten, aber dennoch eine Integration und Verarbeitung durch Konfrontation zu erreichen. Hierzu werden bestimmte Methoden eingesetzt, die Patient*innen helfen, Distanz zum traumatischen Erlebnis zu wahren, sodass die emotionale Belastung möglichst gering gehalten wird. Während der Konfrontation werden Betroffene außerdem dazu angeleitet, bewusst unterstützende Vorstellungen zu aktivieren, um die unangenehmen Erinnerungen leichter bewältigen zu können. Das kann zum Beispiel auch bedeuten, dass Betroffene sich gedanklich einen positiven Ausgang ihres Erlebnisses vorstellen. 

Imagery Rescripting & Reprocessing Therapy

Imagery Rescripting bedeutet auf Deutsch “Bild-Neuschreiben”. Diese Form der Traumatherapie wird vor allem eingesetzt, um ein Kindheitstrauma aufarbeiten zu können. So zum Beispiel bei sexuellen Traumata, die in der Kindheit passiert sind, aber erst im Erwachsenenalter behandelt werden. Der Prozess gliedert sich in drei Phasen:

  • Reprocessing

Betroffene versuchen in dieser ersten Phase ihre Belastungen gedanklich erneut zu erleben und sollen sie anschließend detailliert in Worte fassen. Für Therapeut*innen ist es wichtig, in dieser Phase sehr intensiv auf das Verhalten der Betroffenen achten, um korrekt herausfiltern zu können, welche Momente die emotional belasteten sind. 

  • Rescripting

In der zweiten Phase geht es darum, dass Patient*innen sich selbst zum einen als Kind-Ich, also als früheres Ich, und als Erwachsenen-Ich, also al die Person, die sie in der Gegenwart sind, sehen. Ziel dessen ist es, dass die erwachsene Person in die Situation eingreifen und dem Kind-Ich zur Seite stehen und ihm Trost spenden kann.

  • Selbstberuhigung

In der dritten Phase dieser Methode geht es darum, dass das Kind-Ich und das Erwachsenen-Ich sich versöhnen. Die traumabezogenen Wahrnehmungen sollen transformiert werden und die Achtsamkeitsübungen, die in der Therapie erlernt wurden, sollen in dieser Phase zur Anwendung gebracht werden. 

Gestalttherapie

Die Gestalttherapie legt den Fokus auf die Wechselwirkung von Körper und Seele sowie auf den Zusammenhang zwischen der betroffenen Person selbst und dem jeweiligen sozialen Umfeld. Ein wichtiger Punkt der Gestalttherapie ist hier die so genannte Kontaktgrenze.

Dieser Begriff ist deshalb wichtig, da es beispielsweise nach einem sexuellen Übergriff vorkommen kann, dass die Betroffenen diese Kontaktgrenze im Umgang mit anderen Menschen nicht mehr spüren und wahren können. So kann es passieren, dass eigene Bedürfnisse unterdrückt werden, wodurch destruktive Verhaltensweisen oder weitere psychische Erkrankungen entstehen können. Betroffene können in der Gestalttherapie lernen, diese Kontaktgrenze sowie eigene Bedürfnisse wiederzuerkennen und in den Mittelpunkt zu rücken sowie gesunde Grenzen zu setzen.

Familien- und Paartherapie

Ist eine Person von einer posttraumatischen Belastungsstörung betroffen, so ist oftmals auch das soziale und vor allem familiäre oder nahestehende Umfeld involviert und auf gewisse Weise von der Symptomatik betroffen. Betroffene Personen können zum Beispiel ein starkes Vermeidungsverhalten an den Tag legen, schnell wütend oder gewalttätig werden. Vermeidungsverhalten bezeichnet allgemein das Vermeiden von Situationen oder Handlungen, die bei Betroffenen unangenehme Gefühle hervorrufen können. Daher kann es ähnlich wie bei einer Co-Depression hilfreich sein, als nahestehende Person gemeinsam mit der betroffenen Person eine Therapie in Betracht zu ziehen, die dann zusätzlich zur Einzeltherapie stattfindet. Oftmals geht es hierbei um Psychoedukation, damit Angehörige das Verhalten Betroffener besser einordnen können sowie lernen, wie sie am besten unterstützend eingreifen, sich aber auch angemessen distanzieren können. Es wird an Kommunikationsstrategien sowie an gemeinsamen Lösungsansätzen gearbeitet. 

Phase 3: Integration

In der Traumatherapie geht es nicht darum, zu verhindern, dass unangenehme Erinnerungen auftreten. Personen, die eine traumatische Erfahrung gemacht haben, sind oft immer wieder mit diesen Gedanken konfrontiert und fühlen sich ihnen gegenüber oft ausgeliefert und machtlos. Die Traumatherapie zielt darauf ab, Betroffenen dabei zu helfen, ihre Gedanken kontrollieren zu können und einen positiven Umgang mit ihnen zu finden. Patient*innen sollen sich unangenehme Erinnerungen ganz bewusst ins Gedächtnis rufen, um zu lernen, die Kontrolle über sie zurückzuerlangen und zu realisieren, dass sie nicht umgekehrt sie kontrollieren müssen. Der Begriff der Integration steht in der Traumatherapie dafür, dass das Erlebte zu einem Teil der eigenen Biografie gemacht wird und klar wird, dass es in der Vergangenheit stattgefunden hat und keine Bedrohung in der gegenwärtigen Situation mehr darstellen muss.

Medikamente

Wenn es notwendig ist, können als Begleitung einer Traumatherapie auch Medikamente zum Einsatz kommen. Am häufigsten werden Antidepressiva oder Antipsychotika eingesetzt, so zum Beispiel Fluoxetin oder Olanzepin. Auch Schlaf- oder Beruhigungsmittel werden zusätzlich zu einer Traumatherapie eingesetzt.

Antidepressiva werden dazu verordnet, die Stimmung Betroffener zu verbessern, Ängste zu mindern sowie um ihren eigenen Antrieb zu erhöhen oder bei sehr starker körperlicher Unruhe auch zu verringern. Zudem kann die Gabe eines Antidepressivums positive Auswirkungen auf die Flashbacks haben. Antidepressiva wirken im Gehirn insbesondere auf die beiden Botenstoffe Noradrenalin und Serotonin. Selektive Serotinin-Wiederaufnahmehemmer kommen bei PTBS am häufigsten zum Einsatz. Leiden Betroffene unter sehr starken Schlafstörungen, kommen hier oftmals Benzodiazepine zum Einsatz, die aber nur kurzzeitig verschrieben werden sollten. Zum einen können sie auch angstlindernd wirken, zum anderen aber auch starke Erregung verringern und das Schlafen sowie die Schlafqualität erleichtern. Um der Entwicklung einer Sucht entgegenzuwirken, sollten diese aber für maximal vier bis acht Wochen eingesetzt werden. Außerdem kann es vorkommen, dass sie eine positive Traumaverarbeitung erschweren können.

In den meisten Fällen wird davon abgeraten, bei einer Traumatherapie zusätzlich Medikamente einzusetzen, da die Psychotherapie in der Regel besser hilft, als der Einsatz von Medikamenten. Lediglich dann, wenn die betroffene Person so stark von ihrem Trauma und ihrem Zustand beeinträchtigt wird, dass es ihr nicht mehr möglich ist, sich aktiv an der Therapie zu beteiligen, kann über den Einsatz von Medikamenten nachgedacht werden. Und auch dann, wenn sie zum Einsatz kommen ist es wichtig zu beachten, dass sie nur eine kurzfristige Unterstützung darstellen sollten und auf keinen Fall eine langfristige Therapiemethode sind.

Nach der Therapie: Tipps

  • Nicht einschüchtern lassen: Durch die intensive Auseinandersetzung mit dem Erlebten kann es vorkommen, dass manche Emotionen oder Erinnerungen hervorgerufen werden, die zuvor gar nicht so präsent waren oder dass sich Ängste und der allgemeine Zustand der betroffenen Person  am Beginn der Therapie verschlechtern. Um nachhaltige Therapieergebnisse erzielen zu können, ist es wichtig, sich davon nicht einschüchtern zu lassen und die Therapie nicht vorzeitig abzubrechen.
  • Sich selbst Raum geben: Nach jeder Therapiesitzung kann es vorkommen, dass Betroffene Dinge intensiver wahrnehmen und die Inhalte der Sitzung in ihnen weiterarbeiten. Daher kann es hilfreich sein, sich den restlichen Tag frei zu nehmen, sich Zeit für sich selbst zu nehmen sowie dafür Emotionen zu sortieren.
  • Albträume: Auch im Schlaf können die Inhalte der Therapiesitzung weiterarbeiten, was durchaus zum Entstehen von Albträumen und damit verbundenen unangenehmen Gefühlen führen kann. Das muss kein schlechtes Zeichen sein, sondern kann schlicht für einen Weg der Verarbeitung sprechen. Auch Albträume und ein guter Umgang damit können Inhalte der Therapiesitzungen sein. Wenn du das möchtest, kannst du diese auf jeden Fall in deiner Therapie zur Sprache bringen. 
  • Therapieform: Wenn du nach deiner Therapie weiterhin starke Symptome hast, solltest du darüber nachdenken, deine Traumatherapie zu verlängern oder eventuell eine stationäre Therapie in Betracht ziehen. Wenn du das Gefühl hast, dass die Beziehung zwischen dir und deinem psychotherapeutischen Fachpersonal nicht gut ist, kann es auch hilfreich sein, die Therapie bei einer anderen Person fortzuführen. 

Risiken

Natürlich bringt eine Traumatherapie auch Risiken mit sich. Durch die immer wieder erneute Auseinandersetzung mit dem Erlebten können Betroffene eine so genannte Retraumatisierung, also eine erneute Traumatisierung erleben und Emotionen wie Hilflosigkeit, Machtlosigkeit, Kontrollverlust und Handlungsfähigkeit verschlimmern. Mitunter kann es sich so anfühlen, als würden Patient*innen die traumatische Situation ein weiteres Mal durchleben. So können sich destruktive Denk- und Verhaltensmuster verfestigen und das Bearbeiten des Traumas sehr schwer machen. Ausgebildete Psychotherapeut*innen sollten aber über geeignete Methoden verfügen, die Betroffenen helfen, das Trauma so zu verarbeiten, dass sie die Kontrolle darüber nicht verlieren. Aber auch außerhalb einer Therapie kann eine Retraumatisierung erfolgen. So zum Beispiel durch bestimmte Reize wie Geräusche oder andere Dinge, die Erinnerungen an das Trauma hervorrufen können.

Ein Artikel von

Felicitas Eva Lindner Redakteurin · Journalismus M.A. | Psychologie B.Sc. | Psychologie M.Sc.

Artikel teilen

Quellenangaben

  1. Amrhein, Christine (2015). Traumatherapie. Online verfügbar unter https://www.therapie.de/psyche/info/therapie/traumatherapie/akut/ [22.09.22].
  2. Dobmeier, Julia (2021). Traumatherapie. Online verfügbar unter https://www.netdoktor.de/therapien/psychotherapie/traumatherapie/ [22.09.22].
  3. Levine, Peter A. (2016). Trauma und Gedächtnis. Die Spuren unserer Erinnerung in Körper und Gehirn. Wie wir traumatische Erfahrungen verstehen und verarbeiten. Kösel-Verlag, München.verarbeiten. Kösel-Verlag, München.
  4. Wolf, Doris (2020). Gedankenstopp - die Waffe gegen das Sorgenkarussell. Online verfügbar unter https://www.psychotipps.com/selbsthilfe/gedanken-stopp.html [22.09.22].

Ähnliche Artikel

CE icon

CE-Zulassung

Selfapy ist ein CE-zugelassenes Medizinprodukt der Klasse 1.

trust icon

Wissenschaftlich fundiert

Wir führen klinische Wirksamkeitsstudien zu all unseren Kursen durch.

lock icon

Datensicherheit & DSGVO

Daten werden DSGVO konform vertraulich behandelt und unsere Systeme sind ISO 27001 zertifiziert.

pageview counter pixel