Zurück 24 Jun 2022 · 17 min lesezeit
von Felicitas Eva Lindner

Habe ich eine Angststörung? Finde mit dem Selbsttest bei Generalisierter Angststörung von Selfapy heraus, ob du betroffen sein könntest.

Wenn du unter einer psychischen Erkrankung leidest, können die Online-Kurse von Selfapy ein erster Schritt in die richtige Richtung sein. Unser Fragebogen gibt dir eine erste Einschätzung, ob die Kurse für dich in Frage kommen. Außerdem kannst du einen Termin für ein kostenfreies Infogespräch mit unseren Psycholog:innen vereinbaren.

Hände waschen, Besteck sortieren, staubsaugen. Klingt zunächst nach alltäglichen Handlungen, denen wir alle regelmäßig nachgehen. Doch diese Handlungen oder der Drang sie auszuführen können auch zwanghaft werden. Das bedeutet, sie werden weder aufgrund ihres Nutzens noch aufgrund von Freude daran durchgeführt.

Was ist OCD: Krankheitsbild

Was sind Zwangsstörungen? Eine Zwangsstörung oder Zwangsneurose (der Begriff “Zwangsneurose” ist sehr veraltet und wird eigentlich nicht mehr verwendet) ist eine schwere psychische Erkrankung. Betroffene fühlen sich oft massiv in ihrem Alltag eingeschränkt und ein normales Leben ist für sie kaum möglich. Zwangsstörungen (Englisch: OCD - obsessive compulsive disorder) sind ganz allgemein dadurch definiert, dass bestimmte Handlungen oder Gedanken nicht abgestellt werden können. Sie werden immer wieder wiederholt, selbst wenn sie keinen objektiven Nutzen haben.

OCD Bedeutung

Man unterscheidet demnach zwei Arten von Zwangsstörungen: Jene, bei denen primär Zwangsgedanken im Vordergrund stehen und solche Zwangsstörungen, bei denen tatsächliche Handlungen im Vordergrund stehen. Die Zwangsgedanken sind für Betroffene sehr präsent und nur sehr schwer zu kontrollieren. Sie sind meist sehr unangenehm und drehen sich um Ängste und Befürchtungen. Zwangshandlungen werden von Betroffenen ausgeführt, um das Eintreten gefürchteter Ereignisse oder deren Folgen, um die sich die Zwangsgedanken drehen, zu verhindern. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Inhalt der Zwangsgedanken wahr werden könnte, wird von den Betroffenen massiv überschätzt. . Dies ängstigt die Betroffene, da sie sich als Gefahr für sich selbst und andere wahrnehmen. . Bei rationaler Betrachtung wissen Zwangsneurotiker:innen aber häufig, dass ihre Handlungen irrational sind. Dennoch schaffen sie es nicht, von diesen abzulassen.

Zwangsstörungen waren bis in die 1990er Jahre, ein sehr unbekanntes Phänomen. Menschen, die von Zwangssymptomen betroffen waren, wurden oft als eigenartig und unnormal betrachtet, unter Umständen wurden sie sogar stark gemieden. Dieser zusätzliche soziale Druck und die Angst vor Bewertung oder Zurückweisung stellt für Betroffene somit einen weiteren Stressfaktor dar. Vor allem dann, wenn Betroffene nicht darüber informiert sind , dass Zwangserkrankungen medizinisch anerkannt und therapierbar sind, kann auch das Gefühl, keine passende Ansprechperson zu haben und mit der Erkrankung alleine zu sein eine große Belastung darstellen. Zwangssymptome können sich sogar verstärken. Da Zwangsstörungen inzwischen klassifiziert und anerkannt sind, sind sie gut zu diagnostizieren und zu behandeln.

Zwangsstörung: Symptome

OCD-Symptome gliedern sich in der Regel auf zwei Ebenen: 

  • Wahrgenommene Bedrohung: Die Bedrohungsseite ist meist durch die auftretenden Zwangsgedanken charakterisiert. Betroffene denken meist, dass etwas Schlimmes passieren könnte und sie z.B. jemandem Schaden zufügen könnten wenn sie eine bestimmte Handlung nicht ausführen.
  • Versuch der Abwehr der Bedrohung: Die Bedrohung soll schließlich durch die Ausführung einer Zwangshandlung abgewendet werden. Oftmals ist es allerdings so, dass es für Betroffene nicht ausreicht, die Zwangshandlungen einmal auszuführen. Zwanghaftes Verhalten wird immer und immer wieder wiederholt und erneut ausgeführt.

Zudem gibt es noch weitere Ebenen, auf denen Zwänge auftreten können:

  • Zwangsimpuls: Bei einem Zwangsimpuls empfinden Betroffene oft den Drang, eine bestimmte Handlung auszuführen. In der Regel handelt es sich dabei um gesellschaftlich nicht akzeptiertes, verbotenes Verhalten und Betroffene leiden oft stark darunter, diese Impulse zu haben und gehen ihnen daher oft nicht nach. Dabei kann es sich zum Beispiel um das sexuelle Interesse an Kindern handeln.
  • Zwanghafte Persönlichkeitsstörung: Bei Menschen, die unter einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung leiden, gibt es meist nicht nur einen bestimmten Bereich oder einen besonderen Auslöser für Zwangsgedanken und -handlungen, sondern diese erstrecken sich über fast alle Bereiche ihres Lebens. Für das soziale Umfeld der Betroffenen kann das oft sehr belastend sein, da diese Personen eigene Vorstellungen von richtig und falsch über alles stellen und ihr Umfeld meist stark kontrollieren.

Zwangsstörungen Beispiele

Waschzwang

Betroffene empfinden starke Ekelgefühle bei Berührungen mit Gegenständen und anderen Menschen. Sie haben Angst, sich oder andere mit Krankheiten und Erregern anzustecken und versuchen dem durch intensives Waschen oder Putzzwang oder Ordnungszwang entgegenzuwirken.

Kontrollzwang

Bei einem Kontrollzwang befürchten Betroffene, durch Nachsicht oder Unaufmerksamkeit Schlimmes auszulösen. So befürchten sie beispielsweise, durch eine nicht abgedrehte Herdplatte einen Brand auszulösen. Aufgrund dessen prüfen sie dann mehrmals nach, ob sie die Herdplatte aus gemacht haben, obwohl ihnen rational bewusst ist, dass das nicht nötig ist. Aber die Handlung kann nicht unterdrückt werden.

Andere Zwangsstörungen 

Zwangsstörungen können sich auf ganz unterschiedliche Dinge beziehen. Manche Betroffenen haben das Gefühl sie dürfen nur auf bestimmte Stellen auf dem Boden treten, sie müssten bestimmte Rituale einhalten oder sie entwickeln ein krankhaftes Rückversicherungsverhalten.

Zwangsstörungen und andere psychische Erkrankungen

Zwangserkrankungen haben eine sehr hohe Komorbidität mit anderen psychischen Erkrankungen. Oft treten auch weitere als belastend wahrgenommene Symptome als die der Zwangserkrankung auf. Für eine entsprechende Diagnose wird dein ärztliches oder psychotherapeutisches Fachpersonal also auch nach weiteren Symptomen fragen, um Komorbiditäten und andere Belastungen ausschließen oder feststellen zu können. Folgende Störungen kommen oft in Verbindung mit OCD vor:

  • Depressionen
  • Panikstörungen
  • verschiedene Persönlichkeitsstörungen
  • Soziale Phobien
  • Posttraumatische Belastungsstörungen
  • Essstörungen und körperdysmorphe Störungen
  • ADHS - Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörungen

Zwangsstörung: Test

Du erkennst dich in einigen Punkten wieder? Dann kannst du einen Selbsttest zum Thema Zwangsgedanken und -handlungen machen, um herauszufinden, ob du von einer Zwangsneurose betroffen bist. Online findest du eine Auswahl an Tests. Beachte hier jedoch, dass diese nicht unbedingt aus seriösen Quellen stammen und für eine fundierte Aussage eine professionelle Einschätzung durch medizinisches Fachpersonal notwendig ist.

Hier findest du ein Beispiel für einen Selbsttest bei Zwangsstörungen.

Zwangsstörung: Ursachen

Ähnlich wie bei anderen psychischen Erkrankungen gibt unterschiedliche Faktoren, die das Entstehen einer OCD beeinflussen können und in der Regel müssen mehrere zusammenkommen, damit es tatsächlich zu einer Erkrankung kommt. Mögliche Risikofaktoren können die folgenden sein:

  • Erziehung: Insbesondere dann, wenn schon sehr früh hohe Erwartungen an die Selbstständigkeit eines Kindes gestellt werden, wenn es nicht den Raum gibt Fehler zu machen und Erfolge nur wenig anerkannt werden, kann dies bei Kindern die Entstehung einer Zwangsstörung begünstigen. Diese Kinder und schließlich auch sie als Erwachsene sind vor allem oft von sehr starkem Perfektionismus und Rückversicherungsverhalten betroffen. Es ist aber wichtig im Blick zu behalten, dass niemals der Erziehungsstil allein für das Entstehen einer solchen Erkrankung verantwortlich gemacht werden kann.
  • Genetik: Forschungsergebnisse psychologischer Studien haben gezeigt, dass insbesondere Zwangs- und Angsterkrankungen in Familien gehäuft auftreten. So ist das Risiko eine Zwangsstörung zu entwickeln bei Kindern von ebenfalls erkrankten Eltern im Vergleich zu gesunden Eltern erhöht. Ähnliche Ergebnisse zeigen Zwillingsstudien. Jedoch wird dem genetischen Faktor kein allzu großer Wert beigemessen, da ein großer Anteil an Kindern erkrankter Eltern auch gesund bleibt.
  • Neurobiologische Faktoren: Die Hirnforschung zeigt, dass sich Zwangsstörungen auch im Gehirn manifestieren. Betroffene weisen eine Hyperaktivität in einigen bestimmten Hirnarealen auf. Ist eine Therapie der Zwangserkrankung bei Betroffenen erfolgreich, normalisiert sich auch die Aktivität in den entsprechenden Hirnarealen. 
  • Prägende Lebensereignisse: Traumatische, belastende oder auch prägende Lebensereignisse können Menschen stark beeinflussen. Vor allem bei Personen, die unter starker Unsicherheit leiden, können diese zu einer noch stärkeren Verunsicherung führen. Mit den Zwangshandlungen versuchen Betroffene, die Kontrolle zurückzuerlangen oder auch ihre Unsicherheit zu kompensieren. Zudem können kritische Lebensereignisse das Stresserleben betroffener Personen verstärken, was allgemein die Entstehung von psychischen Erkrankungen begünstigen kann.
  • Persönlichkeitsfaktoren: Auch bestimmte Persönlichkeitsfaktoren können das Entstehen von Zwangsstörungen beeinflussen und deren Auftretenswahrscheinlichkeit von Zwangsstörungen erhöhen. Sehr ängstliche oder unsichere Menschen versuchen durch die Zwangshandlungen oft ihre Unsicherheit zu kompensieren.
  • Verhaltenstherapeutische Modelle: Die  Verhaltenstherapie hat verschiedene Modelle entwickelt, um das Entstehen von Zwangserkrankungen erklären zu können. Das Hauptaugenmerk liegt dabei bei Zwangserkrankungen als eine Form der Angstbewältigung.
  • Zwei-Faktoren-Modell von Mowrer: Dieses Modell erklärt die Entstehung von Zwängen anhand der klassischen und operanten Konditionierung. Dabei handelt es sich um Erklärungsmodelle, wie bestimmtes Verhalten erlernt wird. Klassische Konditionierung funktioniert in diesem Zusammenhang wie folgt: Ein Reiz, der zunächst eigentlich als neutral bewertet wird, zum Beispiel Staub wird mit einem anderen, als negativ bewerteten Reiz gedanklich verknüpft, wenn diese beiden Reize gleichzeitig auftreten. Der unangenehme  Reiz könnte zum Beispiel Angst sein. Passiert das oft genug, lernen Betroffene, dass diese beiden Reize zusammengehören und bei dem bloßen Anblick von Staub werden Betroffene Angst empfinden. Operante Konditionierung meint, dass die Angst durch eine Tätigkeit wie das Putzen zumindest für kurze Zeit verringert wird und aufgrund dieser Erfahrung immer wieder als Maßnahme zur Angstreduktion verwendet wird. So erfahren Betroffene allerdings nicht, dass es auch möglich ist, dass das Nichtdurchführen ihrer Gegenmaßnahme, in diesem Fall des Putzens, auch nicht dazu führt, dass etwas Schlimmes passiert. Situationen, die diese Ängste auslösen können, werden großteils vermieden. Dieses Vermeidungsverhalten kann allerdings in vielen Fällen dazu beitragen, dass die Krankheit aufrechterhalten wird und sich vielleicht sogar verschlimmern kann, da Betroffene keine korrigierenden Erfahrungen mehr sammeln können.
  • Kognitiv-behaviorales Modell von Salkovsis: In diesem Modell wird davon ausgegangen, dass sich die Gedanken von Menschen die an einer Zwangsstörung leiden inhaltlich nicht von den Gedanken unterscheiden, die nicht erkrankte Menschen haben und das diese Gedanken ganz natürlich und normal sind. Der Unterschied zwischen den beiden Gruppen besteht in ihrem Umgang mit diesen Gedanken. Betroffene von Zwangsgedanken bewerten das Auftreten dieser oft als überdurchschnittlich negativ und können diese Gedanken kaum ertragen. Sie reagieren also mit Vermeidung, entweder durch das Unterdrücken der Gedanken oder durch eine Handlung, die die mit den Gedanken verbundenen Ängste lösen soll. Die Handlung kann auch einfach gedanklich stattfinden, ohne in der Realität ausgeführt zu werden. Die kurzfristige Erleichterung fühlt sich für Betroffene zunächst gut an, doch so wird die Erkrankung oft noch stärker, da diese Handlung dann immer und immer wieder ausgeführt wird und der Zwang sich festigt.
  • Psychoanalytische Modelle: Sigmund Freud und die Psychoanalyse sehen die Gründe für die Entwicklung von Zwangserkrankungen in der frühen Kindheit, in der so genannten analen Phase. Diese findet im Alter zwischen zwei und drei Jahren statt. Innerhalb dieser Altersspanne werden Kinder auch in Bezug auf Sauberkeit und Reinlichkeit erzogen und es geht nach der Psychoanalyse zusätzlich darum, zu lernen, eigene Bedürfnisse zu kontrollieren. Sind die Erziehungsmaßnahmen zu streng oder werden sie zu früh eingesetzt, kann das bei Kindern zu Entwicklungsproblemen führen und Verhalten fördern, das übermäßig aggressiv oder triebhaft geprägt ist. Gleichzeitig haben Kinder dann aber starke Schamgefühle, wenn sie merken, dass ihr Verhalten nicht der Norm oder der Erwartung der Eltern und ihrer Umgebung entspricht. Sie versuchen also das unangemessene Verhalten zu unterdrücken und es kommt zu einem inneren Konflikt, der  sich in zwanghaftem Verhalten äußert.

Zwangsstörungen Ursachen Kindheit

Wie schon erwähnt, kann die Erziehung einen starken Einfluss auf die Entstehung von Zwangsstörungen haben. Bei vielen Betroffenen von Zwangsneurosen sind im Rückblick vor allem Ängste, die während der Kindheit vorherrschend waren, Hauptsymptome der Erkrankung. Dabei geht es vor allem um Angst vor Schuldgefühlen oder aufgeladener Schuld, um Angst vor nicht ausreichend erbrachter Leistung und insgesamt der Angst davor, nicht gut genug zu sein. Zudem geht es häufig auch um Impulse, die aufgrund von Angst vor Andersartigkeit oder Inakzeptanz unterdrückt werden (sexuelle Triebe, Aggression). Oft gehen diese Gefühle mit einer geringen Selbstwirksamkeit und einer starken Kontrolle von außen, wie durch die Eltern oder anderen “Instanzen”, die als in ihrer Machtposition höher wahrgenommen werden, einher.

Oft kommen zusätzlich Schwierigkeiten beim Lernen hinzu, die es für betroffene Kinder noch schwieriger machen, sich von einer Kontrollinstanz zu lösen und ein Gefühl von Selbstwirksamkeit zu entwickeln.

Risikofaktoren

  • Kinder mit einer geistigen oder körperlichen Behinderung, mit Übergewicht oder Kinder die aus anderen Gründen in einer Weise von ihren Altersgenoss:innen abweichen gehören zur Risikogruppe und erkranken demnach häufiger an Zwangsstörungen als andere Kinder. Es ist wichtig, all diesen Kindern gleichermaßen die Möglichkeit zu geben sich in eine soziale Gemeinschaft  eingebunden zu fühlen und ihnen so die Möglichkeit zu geben, sich in diesem Umfeld zu behaupten. Ihre Position in einem sozialen Gefüge zu finden, kann ihnen dabei helfen ein stabiles Selbstwertgefühl zu entwickeln.
  • Ein weiterer Risikofaktor kann mangelnde Abgrenzung zu den Eltern oder anderen primären Bezugspersonen sein. Das passiert zum Beispiel, wenn Eltern die Erwartung an ihre Kinder haben, ihre Sichtweisen und Werte uneingeschränkt zu übernehmen, ohne sie zu hinterfragen oder zu kritisieren. 
  • Auch mangelnder Kontakt zu Gleichaltrigen kann ein Risikofaktor sein. Das ist vor allem dann der Fall, wenn Kindern dadurch die Möglichkeit gefehlt hat, sich selbst zu behaupten und ihre eigenen Stärken und Schwächen zu erkennen und einen Umgang mit ihnen zu finden. 
  • Auch Kinder, deren Eltern auf Probleme oder Schwierigkeiten vor allem mit Ängstlichkeit reagieren, sind stärker gefährdet an einer Zwangsstörung zu erkranken als andere. Ihnen fehlt die Ermutigung, Dinge auszuprobieren und sich etwas zu trauen. 

Zwangsstörung: Kinder

Zwangsstörungen manifestieren sich am häufigsten im Erwachsenenalter, meistens aber vor dem 30. Lebensjahr. Während die Prävalenzrate bei kleinen Kindern ab fünf Jahren noch unter einem Prozent liegt, so steigt sie bei jungen Erwachsenen auf etwa vier Prozent. Es wird in diesem Zusammenhang jedoch auch darauf hingewiesen, dass Zwangsstörungen, vor allem im Kindesalter, oft nicht diagnostiziert werden.

Zwangsstörung: Diagnostik

Die Diagnose einer Zwangsneurose wird in der Regel durch dein medizinisches Fachpersonal im Rahmen eines umfangreiches Anamnesegespräch gestellt. Für eine entsprechende Diagnose müssen die Zwangshandlungen oder Zwangsgedanken in den vergangenen 2 Wochen zu der überwiegenden Zeit aufgetreten sein. Für eine Diagnose müssen diese sich für die Betroffenen in hohem Maße alltagseinschränkend anfühlen und als unangenehm und störend empfunden werden. Für die Anamnese werden Verhaltensbeobachtung, standardisierte Interviewtechniken und Fragebögen verwendet. Hierfür kommen zum Beispiel die Yale-Brown Obsessive-Compulsive Symptom Checkliste (Y-BOCS) oder Symptomtagebücher zum Einsatz. In diesen sollen von Betroffenen Symptome und deren Veränderungen über die Zeit festgehalten werden. So kann auch die Schwere der Erkrankung besser eingeschätzt werden. 

Oft sind Symptome einer Zwangserkrankung zu Beginn noch nicht so stark ausgeprägt, nehmen mit der Zeit aber immer stärker zu. So kann es sein, dass Betroffene, die ihre Erkrankung zu Beginn vielleicht gar nicht als sehr stark empfunden haben, im weiteren Verlauf der Zwangsstörung sehr viel stärkere Symptome entwickeln, die ein normales Bewältigen des Alltages sehr schwer machen. Oftmals wechseln sich sehr symptomreiche Zeiten auch mit beschwerdefreien Zeiten ab. Auslöser für die Zeiten, die von starken Zwangssymptomen geprägt sind, sind oft Stress oder auch anderweitige psychische Belastungen.

Zwangsstörung: Tipps

Eine Zwangsstörung alleine - ohne professionelle Hilfe - zu behandeln ist kaum möglich. Bei einer leichten Symptomatik, kann Selbsthilfe Erfolge erzielen, es ist jedoch ratsam, sich mit psychotherapeutischem Fachpersonal auszutauschen. Es gibt jedoch Tipps, die Betroffene beachten können, um die Symptome zu lindern. Hierbei ist aber wichtig zu verstehen, dass es stark von der Schwere der Erkrankung abhängt, ob die Tipps für Betroffene umsetzbar sind oder nicht. Teilweise geht das nur mit der Unterstützung von erfahrenen Psycholog:innen.

  • Exposition: Die Methode der Exposition wird auch in einer Therapie selbst angewendet. Das bedeutet, Betroffene stellen sich Schritt für Schritt ganz bewusst ihren Ängsten. Dadurch, dass Betroffene sich immer und immer wieder in die Situation bringen, ihre Angst zu durchleben, wird irgendwann ein Gewöhnungseffekt erzielt. Zwangsneurotiker:innen lernen so, dass sie ihre Ängste und die damit verbundene Spannung aushalten können, ohne dass etwas Schlimmes passiert. Zudem geht es in der Exposition darum zu verstehen, dass die durch Zwangsgedanken ausgelösten Handlungen vor allem die Zwangsgedanken reduzieren und beruhigen sollen und dass diese Beruhigung auch auf andere Art und Weise geschehen kann. 
  • Distanz: Es kann hilfreich sein ,bei aufkommenden Zwangsgedanken zu versuchen, sich von den eigenen Gedanken zu distanzieren. Auch das erfordert einiges an Übung, kann aber funktionieren. Du kannst dir vorstellen, dich selbst von oben, also von außen zu betrachten. So kann es dir gelingen, einen distanzierteren Blick auf deine Gefühlswelt zu bekommen.
  • Selbsthilfegruppe: Eine Selbsthilfegruppe eignet sich für Betroffene, um sich mit anderen Betroffenen auszutauschen. Gemeinsam wird an der Bewältigung der Krankheit gearbeitet. Der Austausch mit ebenfalls erkrankten Personen kann dazu beitragen, ein besseres Verständnis und mehr Akzeptanz für die Erkrankung zu bekommen. Zudem erleichtern Selbsthilfegruppen Betroffenen oft den Zugang zu sozialen Kontakten, da es leichter erscheint sich mit Leidensgenoss:innen zu umgeben. 

Zwangsstörungen: Therapie

In der Regel setzt eine Therapie bei Zwangsstörungen an unterschiedlichen Punkten an, da auch die Ursachen ganz unterschiedlich sein können. Man nennt eine solche Therapie multimodale Therapie. Oftmals besteht eine Therapie aus der Gabe von Medikamenten sowie aus einer Psychotherapie. Symptome können so oft deutlich reduziert werden. Betroffene lernen in der Therapie unter anderem, wie sie besser mit ihrer Erkrankung umgehen können, um den Alltag positiv zu meistern und ihre Lebensqualität zu verbessern. 

Zwangsstörung Behandlung: Verhaltenstherapeutie

Bei der verhaltenstherapeutischen Behandlung  einer Zwangsstörung sollen Patient:innen lernen, mit den als unangenehm erlebten Zwangsgedanken umzugehen. Es werden Strategien erarbeitet, die den besseren Umgang erleichtern sollen. Gleichzeitig lernen Betroffene dabei etwas anderes, das schließlich auch bei den Zwangsgedanken helfen kann: Wenn sie dem Drang nach einem bestimmten Verhalten, den die Gedanken auslösen, nicht nachgehen, passiert nichts Schlimmes. Das erscheint für Betroffene zu Beginn der Therapie schier unvorstellbar, aber mit der Zeit können sie das lernen. Dabei ist die Exposition, also das bewusste Konfrontieren mit einer angstauslösenden Situation (unter therapeutischer Aufsicht) häufig sehr effektiv.

Zusätzlich sollen sogenannte kognitive Strategien entwickelt werden, Sie sollen dazu beitragen, dass Betroffene sich ungünstige Verhaltensmuster bewusst machen und passende Alternativen erarbeiten können. So sollen sie lernen, destruktive Gedanken und Verhaltensweisen nicht nur zu erkennen, sondern sie als ganz normale Gedankenvorgänge zu akzeptieren, vor denen sie keine Angst haben müssen. So kann es gelingen, den Gedanken mit der Zeit eine neue Bedeutung zu geben.

Zwangsstörung: Medikamente

Auf medikamentöser Ebene, kann eine Therapie mit sogenannten Serotonin-Wiederaufnahmehemmern erfolgen. Sie werden auch oft für die Therapie von Depressionen eingesetzt. Damit sie wirken, müssen sowohl die Dosierung ausreichend hoch als auch der Zeitraum der Einnahme ausreichend lang sein. Das hängt damit zusammen, dass sie eine bestimmte Wirkstoffkonzentration im Blut sowie bestimmte Anpassungsprozesse im Gehirn auslösen. Die Medikamente sind oft wirksam, nach ihrem Absetzen kommen die Symptome aber oft zurück. Daher braucht die Behandlung einer Zwangsstörung unbedingt eine begleitende Psychotherapie . Medikamente sollten nur dann eine zusätzliche Option sein, wenn die Verhaltenstherapie alleine keine oder nur wenig Wirkung zeigt.

Gruppentherapie

Des Weiteren kommen als Therapiemöglichkeiten bzw. als Therapieergänzung Zwangsbewältigungsgruppen infrage. Hier kommen Betroffene in Gruppen zusammen und haben die Möglichkeit, sich über aufkommende Gedanken und Gefühle auszutauschen. Sie arbeiten nicht nur alleine daran, Strategien für den besseren Umgang mit ihren Zwangsgedanken und -handlungen zu finden, sondern auch mit anderen, die in einer ähnlichen Situation sind. Der Austausch mit und die Begleitung von und durch andere Betroffene wird oft als sehr unterstützend wahrgenommen.

Achtsamkeit

Auch achtsamkeitsbasierte Verfahren können als Unterstützung und therapiebegleitende Maßnahme bei Zwangsstörungen helfen. So kommen beispielsweise Verfahren wie progressive Muskelentspannung, Meditation oder auch autogenes Training zum Einsatz.

Ambulant versus stationär

Ob eine Therapie ambulant oder stationär stattfindet, hängt in der Regel von der Schwere der Erkrankung ab. Wenn der Alltag für Betroffene noch gut bewältigbar ist, dann reicht eine ambulante Therapie in der Regel aus. Die in der Psychotherapie vermittelten Strategien können zu Hause und in realen Lebenssituationen geübt und verfestigt werden. Wenn der Alltag aber unbewältigbar erscheint und es Betroffenen nicht möglich ist, wird der Aufenthalt in einer stationären Einrichtung empfohlen. Therapeut:innen sind immer ansprechbar und es kann ein ständiger Austausch mit anderen Betroffenen stattfinden.

Online-Therapie

Eine Therapie bei Zwangsstörungen kann sehr unterschiedlich ablaufen. Oft geht mit einer Zwangsstörungen eine andere psychische Erkrankung wie zum Beispiel eine Depression einher. Die passende Therapieform zu finden ist die Aufgabe deines psychologischen Fachpersonals. Oft besteht sie aus Techniken zur Entspannung, Methoden zum Stressmanagement und dem Auseinandersetzen mit den eigenen Zielen. Vor allem die Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie haben sich dafür bewährt. Auch die Online-Kurse von Selfapy basieren auf der kognitiven Verhaltenstherapie. In unserem Fragebogen kannst du herausfinden, ob die Online-Kurse von Selfapy für dich in Frage kommen.

Ein Artikel von

Felicitas Eva Lindner Redakteurin · Journalismus M.A. | Psychologie B.Sc. | Psychologie M.Sc.

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Quellenangaben

  1. Goletz, H., Döpfner, M., & Roessner, V. (2018). Zwangsstörungen. Hogrefe Verlag.
  2. Kammerer, Doro (o.J.). Zwangsstörungen. Welche Kinder sind gefährdet? Online verfügbar unter https://www.eltern.de/gesundheit-und-ernaehrung/medizin/zwangsstoerung-bei-kindern.html   [22.06.22].
  3. Moritz, S., & Hauschildt, M. (2012). Erfolgreich gegen Zwangsstörungen. Springer Berlin Heidelberg.
  4. oberbergkliniken.de (o.J.). Zwangsstörungen behandeln: Selbsthilfe und Therapiemöglichkeiten. Online verfügbar unter https://www.oberbergkliniken.de/artikel/zwangsstoerungen-behandeln-selbsthilfe-therapiemoeglichkeiten  [22.06.22].
  5. schoen-klinik.de (o.J.). Raus aus den Zwängen. Zwangsstörungen. Online verfügbar unter https://www.schoen-klinik.de/zwangsstoerungen [22.06.22].
  6. Amrhein, Christine (2011). Zwang und Zwangsstörung. Häufigkeit, Verlauf und Diagnose. Online verfügbar unter https://www.therapie.de/psyche/info/index/diagnose/zwang/verlauf-diagnose/  [22.06.22].
  7. zwaenge.de (o.J.). Aufgaben von Selbsthilfegruppen. Online verfügbar unter https://www.zwaenge.de/selbsthilfe/selbsthilfegruppen/ [22.06.22].

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