Zurück 11 Aug 2022 · 8 min lesezeit
von Hanna Eggebrecht

Intuition ist eine nicht logische und meist unbewusst ablaufende Art der Entscheidungsfällung. Intuition beruht auf Erfahrungen und Erkenntnissen und ist das Gegenteil von logischen Entscheidungen. 

Intuition: Bedeutung

  • Intuition Definition

Intuition bedeutet laut dem Dorsch Lexikon für Psychologie soviel wie “[...] eingebungsartige, nicht durch Erfahrung oder Überlegung, sondern […] Offenbarung ähnliche Einsicht (Inspiration).”

Was es bedeutet, intuitiv zu sein, wird zum Beispiel in einer anderen Bedeutung von Intuition sichtbar: Beim sogenannten “klinischen Blick”. Bei medizinischen Diagnosen können Intuition und viel Erfahrung eine Rolle spielen, wenn es um eine erste Vermutung geht (die sich vielleicht intuitiv ergibt). Es geht hier aber mehr um “Erfahrungsdenken”, als eine intuitive Eingebung.

  • Intuitiv Gegenteil

Das Gegenteil von Intuition bzw. intuitivem Denken ist Logik und diskursives (sich mit etwas auseinandersetzen) Denken.

  • Intuitiv Entscheidungen treffen

Intuition oder intuitive Entscheidungen beziehen meistens die herausragendsten Informationen mit der vermeintlich höchsten Wichtigkeit für die jeweilige Person ein. Es ist deshalb auch einfacher und schneller, eine Entscheidung intuitiv zu treffen, als das Für und Wider abzuwägen (das wäre nicht intuitiv). Intuitive Entscheidungen kann man sich so vorstellen, dass jede Person aufgrund ihrer Lebensgeschichte und persönlichen Erfahrungen einen individuellen Blick auf die Dinge entwickelt, der bei der Intuition eine sehr entscheidende Rolle spielt. 

  •  Was bedeutet “intuitiv” genau?

Intuitiv bedeutet, einem Gefühl aus dem Bauch heraus zu vertrauen und somit nicht bewusst und überlegt zu entscheiden. Man weiß nicht genau, warum man so entscheidet, hat aber das Gefühl, dass diese Intuition richtig ist (Stangl, 2022). Intuitiv zu entscheiden ist sogar besser, wenn man eine Menge an implizitem Fachwissen (Erfahrungen, Erlebnisse) im entsprechenden Bereich hat. Ist das aber nicht der Fall, sollte man doch “den Kopf einschalten” und über die Entscheidung nachdenken.

  • Intuition Beispiele

Ein sehr vereinfachtes Beispiel: Wenn man ein Würfelspiel spielt und es auf eine bestimmte Zahl ankommt, würfelt man vielleicht lieber noch einmal, bevor man die Augenzahlen aufdeckt, weil man intuitiv “wusste”, dass es nicht die Gewünschten waren.  Intuition ergibt sich in darauf folgenden Situationen: Aus einer Art “imaginärem” zufälligen Bauchgefühl trifft man vermeintlich intuitive Entscheidungen, die meistens aber einem uns nicht bewussten Muster folgen. Anhand der Würfel wäre das z.B. so zu erklären: Intuitiv würfelt  man erneut, weil man durch das wiederholte aber dennoch völlig zufällige und unerklärliche Zustandekommen der Augenzahlen in der Vergangenheit plötzlich das Bauchgefühl hat, dass die falschen Augenzahlen kommen könnten und man einen zweiten Wurf braucht. 

  • Wie bemerke ich Intuition?

Auf Intuition verlassen wir uns im Alltag öfter, als wir wissen. Einige Beispiele für Intuition im Alltag sind:

Man trifft eine fremde Person und hat intuitiv ein Gefühl für die “Art der Person”. Das heißt, dass man intuitiv ahnt, wie die Person sich verhalten könnte oder welche Emotionen man dieser Person entgegenbringen “darf”, die angemessen für die Beziehung sind (z.B. bei neuen Arbeitskolleg*innen). Bei einem Verkaufsgespräch könnten viele vielversprechende Argumente für den Kauf eines Produkts angebracht werden, zum Beispiel vom Verkaufspersonal, aber man entscheidet sich trotzdem “irgendwie dagegen” und weiß nicht genau warum. Hier war die Gegenentscheidung intuitiv, das heißt, man hat die Intuition gehabt, dass der Kauf nicht richtig wäre. 

Intuition: Psychologie

Intuition kennzeichnet sich laut dem Psychologen Gerd Gigerenzer (Stangl, 2022) durch drei Dinge:

  • Intuition verläuft sehr schnell 
  • man weiß nicht, warum die Intuition plötzlich da ist
  • Intuition lenkt viele Entscheidungen im Leben.

Der bekannte Psychoanalytiker Carl Gustav Jung benannte in seinem Werk “Psychologische Typen” Intuition als eine der vier psychologischen Bewusstseinsfunktionen. Diese sind:

  • Intuition (instinktive Ahnung von Zukünftigem)
  • Sinneswahrnehmung/ Empfindung
  • Denken
  • Fühlen.

Carl Gustav Jung hat Intuition in zwei Arten unterteilt, die konkrete Intuition und die abstrakte Intuition.

  • Konkrete Intuition ist als Vermittlerin von wahrgenommenen (äußeren) Sinneseindrücken zu verstehen, die auch real so vorkommen (“Tatsächlichkeit der Dinge”). Die abstrakte Intuition ist eher die Vermittlerin von ideellen/ wünschenswerten Zusammenhängen

Carl Gustav Jung ist der Erfinder des Konzeptes des “kollektiven Unbewussten”, welches laut Jung selbst mit sogenannten “intuitiven Persönlichkeiten” verschmilzt. Diese intuitiven Persönlichkeitstypen sind also in ihrer Intuition nahe am kollektiven Unbewussten (allgemeine unbewusste Annahmen über die Dinge) orientiert. 

Prof. Dr. Bauer, Arzt und Neurowissenschaftler, bezeichnet Intuition in einer Reportage eher als biologische Resonanz, also Reaktion auf das Gegenüber. Die Resonanz ist das Ergebnis aus der (unbewussten) Wahrnehmung von Mimik, Gestik und Stimmung des Gegenübers. Wir reagieren also ähnlich dem, wie sich auch die Personen um uns herum verhalten. Für diese unmittelbare Reaktion können sogenannte “Spiegelneuronen” verantwortlich gemacht werden. Diese Zellen “spiegeln” die Emotion unseres Gegenübers und sind zum Beispiel maßgeblich an Empathie beteiligt. 

Intuition: Bauch oder Kopf?

Obwohl man bei Intuition auch synonym das Bauchgefühl anspricht, kommt eine Intuition nicht wortwörtlich aus dem Bauch oder dem Magen. Das Bauchgefühl meint aller Wahrscheinlichkeit nach das implizite Gedächtnis (welches sich im Gehirn “befindet”) und somit wäre Intuition eine Entscheidung durch unbewusste Prozesse.

Neuere Forschung orientiert sich allerdings mehr an einem Zusammenwirken von Intuition und logischen/ bewussten Prozessen, statt einer strikten Trennung. Wir suchen zum Beispiel bewusst nach Informationen und gleichzeitig verarbeiten wir die Suchergebnisse mithilfe unserer Intuition (Könnte das wichtig sein?).  

Intuition erlebte auch eine nähere Untersuchung in der Erkenntnistheorie des Philosophen Descartes. Er ging davon aus, dass Wissen auf Basis einer gewissen Evidenz begründet werden muss, dessen Fundament er als Intuition bezeichnete. 

“[Intuition ist] ein so müheloses und deutlich bestimmtes Begreifen des reinen und aufmerksamen Geistes” - Descartes

Gibt es eine weibliche Intuition?

Nein. Ein Geschlechterunterschied gemäß der Aussage über die “weiblichen Intuition” konnte bisher in keiner wissenschaftlichen Studie gefunden oder belegt werden. Es handelt sich bei “weiblicher Intuition” deshalb um ein nicht haltbares Klischee. 

Intuition trainieren- geht das?

Um Intuition zu trainieren oder sich besser auf sein Bauchgefühl verlassen zu können, sind achtsamkeitsbasierte Techniken empfohlen. Mit mehr Achtsamkeit kann es leichter sein, eine Intuition zunächst ohne sie zu bewerten nur wahrzunehmen. Und das ist erlernbar, zum Beispiel mit

  • Meditationen
  • Yoga
  • Achtsamkeitsbasierter Stress Reduktion.

In einem leistungsorientierten Alltag kann es vorkommen, dass logischen und gründlich abgewogenen Entscheidungen mehr Anerkennung beigemessen wird. Sie sind gegenüber intuitiven Gefühlen

  • nachvollziehbar/ erklärbar
  • logisch
  • sicherer bei schwierigen Situationen
  • langfristig haltbarer.

Intuition und Depression

Einige Personen haben vielleicht gar keinen Zugang zur eigenen Intuition bzw. fällt es ihnen schwer, das eigene Bauchgefühl wahrzunehmen und auch legitimieren zu können. Bei psychischen Erkrankungen spielt Intuition im Zusammenhang mit Selbstvertrauen eine entscheidende Rolle und ist Gegenstand der Forschung. Bei Depressionen ist es beispielsweise so, dass das Denken verengt, wie mit Scheuklappen und somit wenig assoziativ ist.

Intuition kennzeichnet sich aber genau durch dieses assoziative ganzheitliche Denken aus. Menschen mit depressiven Symptomen kann es deshalb zum Beispiel schwerer fallen, intuitiv und “aus dem Bauch heraus” zu entscheiden. Mach hier den wissenschaftlich fundierten Selbsttest und finde heraus, ob du Anzeichen einer Depression zeigst.  



Intuition bei Multiple Choice

Ein sehr bekanntes Beispiel für die Entscheidung durch Intuition sind Multiple Choice Aufgaben. Egal ob bei der schriftlichen Führerscheinprüfung oder in Klausuren- sie kommen sehr oft vor und bei der Antwort tendieren viele Personen dazu, sich auf ihre Intuition zu verlassen. Hierzu gibt es sehr praktische Erkenntnisse:

  • Im ersten Durchlauf verlassen sich viele auf die Intuition. Es ist aber tatsächlich besser, eine zweite Durchsicht zu machen und die Antworten, bei denen man sich (trotz Intuition) unsicher war, noch einmal genau durchzugehen. Eine Studie zeigt: die Ergebnisse sind im Schnitt besser, wenn man sich nicht nur auf die Intuition verlässt.
  • Die “First Instinct Fallacy” ist eine Theorie zur Erklärung, warum viele Personen trotz gegenteiliger Beweise ihrer Intuition bzw. ihrem ersten Instinkt lieber Glauben schenken. Es wird u.a. der Grund angeführt, dass wir lieber eine von Anfang an falsche Antwort hinnehmen (die intuitive Antwort), statt später zu erfahren, dass wir durch eine (eigenmächtige) Veränderung der Antwort das Falsche angekreuzt haben. Es geht hier darum, dass man sozusagen selbst dafür verantwortlich ist, die falsche Entscheidung getroffen zu haben (anders als bei der Intuition).
  • In einigen Fällen kann es allerdings sogar klüger sein, sich auf seine Intuition zu verlassen: zum Beispiel, wenn man schon viel Erfahrung in einem Bereich hat. Auf den Sport ist das einfach anzuwenden: Wer schon viel Erfahrung im Fussball hat, kann sich auf seine intuitive Routine verlassen, wohingegen ein*e Anfänger*in mehr Überlegung und Übung braucht.

Intuition im Job

Besonders bei der Personalauswahl ist es leider oftmals noch so, dass sich die Personaler*innen auf ihre Intuition verlassen und nach diesem Gefühl den Bewerbenden auswählen. Allerdings sollte ein Bewerbungsprozess, so zumindest die Studienlage in der Arbeitspsychologie, objektiven Kriterien genügen können und die Entscheidung nicht allein aufgrund einer Intuition gefällt werden. Die sogenannte “Personaldiagnostik” ist wissenschaftlich fundiert und bietet Vorteile für beide Seiten:

  • das Unternehmen gewinnt den am besten passenden Bewerbenden
  • Bewerbende erhalten den am besten passenden Job

Es gibt zwei Irrtümer, denen Personaler*innen unterliegen, wenn sie sich auf ihre Intuition verlassen:

  1. Das Arbeitsverhalten der Bewerbenden ist perfekt vorhersehbar.
  2. Je mehr Erfahrung ein*e Personaler*in hat, desto besser die Intuition für den richtigen Bewerbenden.

Fakt ist: Auch wenn jedes kleinste Detail zu einem Bewerbenden bekannt ist, fällt das intuitive Urteil/ die auf Intuition beruhende Entscheidung über das spätere Arbeitsverhalten bis zu 50% (!) schlechter aus, als ein mathematisches/ objektives Urteil.

Mehr Intuition: Literatur

  • Bas Kast: Wie der Bauch dem Kopf beim Denken hilft. Die Kraft der Intuition.

Der Autor Bas Kast sieht Intuition als “Schnittmenge” zwischen Kopf (Verstand, Vernunft, Logik, Wissen) und Bauch (Emotionen, Vertrauen, Erfahrungen). Die Intuition lässt sich nach Bas Kast vergrößern, indem von der “Bauchseite” aus mehr Vertrauen in die impulsiven Gefühlsregungen gelegt wird und andererseits mehr Wissen von der “Kopfseite” aus genutzt wird. Mehr über das Buch kannst du in einer ausführlichen Rezension hier nachlesen. 

Außerdem empfehlen wir zum Thema Intuition:

  • Gerd Gigerenzer: Bauchentscheidungen. Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition. 
  • K. Tepperwein und F. Aeschbacher: Die Kraft der Intuition (Ratgeber)
  • R. Ziegler: Intuition und Ich-Erfahrung. Erkenntnis und Freiheit zwischen Gegenwart und Ewigkeit

Ein Artikel von

Hanna Eggebrecht Redakteurin · B.Sc. Psychologie | M.Sc. Psychotherapie

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Quellenangaben

  1. Foto von Muhammadtaha Ibrahim Ma'aji: https://www.pexels.com/de-de/foto/wehmutige-schwarze-frau-mit-geschlossenen-augen-beruhrendes-gesicht-in-gedanken-5798114/
  2. https://de.in-mind.org/blog/post/intuitive-personalauswahl
  3. https://de.in-mind.org/blog/post/multiple-choice-trauen-sie-ihrem-instinkt
  4. https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/intuition 
  5. https://www.philomag.de/lexikon/intuition
  6. https://de.in-mind.org/glossary/letter_i#Intuitive_Entscheidungen
  7. https://www.spektrum.de/news/intuition-wann-unser-bauchgefuehl-uns-hilft-und-wann-nicht/1886974
  8. https://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/radiowissen/psychologie/intuition-gefuehl-falle-100.html
  9. https://utopia.de/ratgeber/intuition-woher-das-unbewusste-kommt-und-wieso-es-wichtig-ist/ 
  10. https://de.wikipedia.org/wiki/Intuition
  11. https://www.sinnsucher.de/blog/intuition-wie-wir-lernen-besser-auf-unseren-bauch-zu-hoeren?gclid=EAIaIQobChMIsdzCy9Ol-QIVD6h3Ch2GyAQAEAAYAiAAEgIqE_D_BwE 
  12. https://www.akademie.de/de/wissen/intuition-entwickeln-trainieren 
  13. Carl Gustav Jung: Definitionen. In: Gesammelte Werke, Band 6: Psychologische Typen, Düsseldorf 1995, ISBN 3-530-40081-5, S. 474 
  14. Gerd Gigerenzer: Bauchentscheidungen. Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition. Bertelsmann, München 2007, ISBN 978-3-570-00937-6.
  15. Kuncel, N. R., Klieger, D. M., Connelly, B. S. & Ones, D. S. (2013). Mechanical versus clinical data combination in selection and admissions decisions: A meta-analysis. Journal of Applied Psychology, 98, 1060-1072. http://doi.org/10.1037/a0034156 
  16. Kruger, J., Wirtz, D., & Miller, D. T. (2005). Counterfactual thinking and the First Instinct Fallacy. Journal of Personality and Social Psychology, 88(5), 725-735. doi: 10.1037/0022-3514.88.5.725  
  17. Stangl, W. (2022, 3. August). Intuition. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik.https://lexikon.stangl.eu/3540/intuition
  18. Smith, C. F., Kristensen, B. M., Andersen, R. S., Hobbs, F. R., Ziebland, S., & Nicholson, B. D. (2021). GPs' use of gut feelings when assessing cancer risk: a qualitative study in UK primary care. The British journal of general practice : the journal of the Royal College of General Practitioners, 71(706), e356–e363. https://doi.org/10.3399/bjgp21X714269

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