Zurück 16 Jun 2021 · 5 min lesezeit
von Felicitas Eva Lindner

Wer kennt es nicht: Im Restaurant drei Mal die Bestellung ändern, den Job nach kurzer Zeit kündigen, weil ein anderer doch besser scheint, sich beim Daten nicht festlegen wollen, weil einem ja doch noch jemand über den Weg laufen könnte, die*der besser zu einem passt. Im Englischen wird dieses Phänomen, nur schwer Entscheidungen treffen zu können, als fear of better options, oder auch choice overload oder overchoice bezeichnet. Es fällt unter eine Reihe von Phänomenen, die sich in den letzten Jahren unter anderem durch die Digitalisierung entwickelt haben.

Was ist FOBO?

Die heutige Zeit bietet uns so viele Möglichkeiten, dass viele Menschen davon eher angestrengt sind und Überforderung empfinden, anstatt das ersehnte Gefühl von Freiheit zu fühlen, dass diese Tatsache mit sich bringen sollte. Sich für einen Film bei Netflix zu entscheiden, das beste Gericht im Menü des neuen Restaurants zu finden, den Job mit den besseren Aufstiegschancen oder den mit dem sympathischeren Team zu wählen, sich für oder gegen eine Beziehung oder überhaupt zwischen allen Kandidat*innen zu entscheiden. Für viele Menschen führen all diese Optionen zu so viel Stress, dass die sprichwörtliche Qual der Wahl eher zu Resignation und schlussendlich zu gar keiner Entscheidung führt.

Wie treffen Menschen Entscheidungen?

Eine Studie, in der Wissenschaftler*innen mit Hilfe von bildgebenden Verfahren die Gehirnaktivität von Teilnehmer*innen sichtbar gemacht haben, kam zu genau diesem Schluss: Die Gehirnaktivität der Studienteilnehmer*innen war größer, wenn sie sich für eine von 12 Optionen entscheiden, als bei der Möglichkeit, zwischen 6 oder 24 Optionen zu wählen. Das bedeutet, zu viele Optionen führen zu genauso wenig Engagement wie zu wenige. Die Wissenschaft unterscheidet in Bezug auf das Treffen von Entscheidungen zwei verschiedene Typen:

  • Satisfyers: Sie suchen so lange nach einer Option, bis sie eine finden, mit der sie zufrieden sind und entscheiden sich dann für diese.
  • Maximizers: Diese Gruppe von Menschen suchen ebenfalls, bis sie eine Option finden, mit der sie glücklich sind. Sie hören dann aber nicht auf zu suchen, sondern suchen immer weiter, weil sie eine noch bessere Option finden wollen. Genau diese Gruppe ist demnach oft von FOBO betroffen und hat Schwierigkeiten damit, sich zufrieden zu geben. Oft bedauern sie schon im Vorhinein, die vielleicht nicht beste Entscheidung getroffen zu haben, woraus durchaus psychische Probleme entstehen können.

Wie entsteht FOBO?

Psychologisch gesehen lässt sich das Phänomen FOBO wie folgt erklären: Unentschiedenheit entsteht bei Menschen meist dann, wenn sie zwei Optionen den gleichen Wert beimessen oder wenn der Wert einer Option bei jedem erneuten Nachdenken neu ermittelt wird. Zu viele Optionen wirken verwirrend. Oftmals versinkt man bei zu vielen Optionen in einer Spirale, in der man immer alle Optionen durchgeht und nach der besten sucht. Das kann zu Unentschlossenheit und einem geringeren Zufriedenheitslevel führen. Zudem wird es schwieriger, an Entscheidungen festzuhalten, geschweige denn überhaupt ein Commitment - egal in welcher Art - eingehen zu wollen. Man lebt in einer Welt von “Vielleichts”. Die Verabredung fürs Kino wird bis zur letzten Sekunde nicht zugesagt, da es ja sein könnte, dass man spontan eher Lust auf Party hat. Die Essensbestellung wird drei mal geändert, da das Gericht der Freundin doch besser klingt. Die Suche nach der richtigen Serie für den Abend dauert so lange, dass man schließlich zu müde ist, sie zu schauen und bei Tinder swiped man alle nett und hübsch wirkenden Personen weg, da es immer noch besser geht.

Wann wird FOBO problematisch?

Natürlich ist es nicht immer problematisch, Optionen gegeneinander abzuwägen. Ganz im Gegenteil. In vielen Fällen ist es sogar sinnvoll und notwendig. Geht es zum Beispiel darum, den richtigen Kita-Platz für das Kind zu finden, ist es durchaus verantwortungsbewusst nicht die erstbeste Option als die eine Option zu betrachten. Wenn Menschen jedoch vor lauter Optionen resignieren, erschöpft sind und am Ende gar keine Entscheidungen mehr getroffen werden oder sogar psychische Probleme entstehen, dann wird es problematisch.

Tipps, um besser Entscheidungen treffen zu können

Doch der Angst, nicht die richtige Entscheidung zu treffen, kann Abhilfe geschaffen werden:

  • Stelle Entscheidungen in einen größeren Kontext: Du kannst nicht immer das Outcome im Vorhinein beeinflussen und steuern. Übe dich in Gelassenheit, denn du kannst auch durch noch so durchdachtes Treffen von Entscheidungen nicht schon vorher wissen oder steuern, wie etwas ausgeht.
  • Pros und Contras abwägen: Du kannst all deine Optionen in Gruppen einteilen und dich dann für den Gewinner jeder Gruppe entscheiden. Diese Gewinner definierst du so lange weiter, bis am Ende nur noch eine Option übrig bleibt. 
  • Vertraue deinem Bauchgefühl: Oft ist die erste Eingebung richtig. Lerne, auf sie zu hören bevor du anfängst Optionen zu zerdenken.
  • Wirf eine Münze: Das klingt leichtsinnig, aber wenn es um keine wichtigen Entscheidungen geht, kann es erleichternd sein, die Entscheidung nicht selbst treffen zu müssen. Definiere zunächst, für welche Option Kopf und für welche Option Zahl steht, und lass dann die Münze für dich entscheiden. 
  • Mach eine Analyse: Bei großen und wichtigen Entscheidungen ist es oft hilfreich, bewusst alle Optionen zu analysieren: Schreibe alle Pros und Contras auf, sei hier ehrlich. Definiere vorher, wie du die Pros und Contras gewichtest, welchem Pro und welchem Contra du am meisten Wert beimisst. Du kannst dir deine Liste auch laut vorlesen oder dir eine Memo einsprechen und sie dir nochmal anhören. Das kann Entscheidungen erleichtern.
  • Hab Vertrauen: Dieser Punkt wird dir vermutlich am schwersten fallen, wenn du Schwierigkeiten hast, dich zu entscheiden. Doch auch diesen Punkt kann man lernen, zum Beispiel durch Meditation oder Methoden der Verhaltenstherapie. Lerne, Vertrauen zu haben. In dich, in deine Entscheidung, in die Umstände. Es ist kaum möglich, falsche Entscheidungen zu treffen. Denn selbst, wenn eine Entscheidung vielleicht nicht zu dem Ergebnis führt, das du dir gewünscht hast, so führt sie trotzdem zu einem Ergebnis. Und auch dieses kann positiv sein, kann dir vielleicht eine neue Sichtweise schenken. Freu dich also auf das was auf dich wartet, nach jeder Entscheidung die du triffst.

Ein Artikel von

Felicitas Eva Lindner Redakteurin · Journalismus M.A. | Psychologie B.Sc. | Psychologie M.Sc.

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Quellenangaben

  1. Clare Thorp (2018). A guide to overcoming FOBO, the fear of better options. Online verfügbar unter https://forge.medium.com/a-guide-to-overcoming-fobo-the-fear-of-better-options-9a3f4655bfae [10.06.21].
  2. Herrera, Tim (2018). How to beat F.O.B.O., from the expert who coined it. Online verfügbar unter https://www.nytimes.com/2018/07/30/smarter-living/how-to-beat-fobo-from-the-expert-who-coined-it.html  [10.06.21].
  3. Hombach, Stella (2020). Wenn die Kraft für Entscheidungen fehlt, ist es FOBO. Online verfügbar unter https://www.derstandard.de/story/2000114671313/wenn-die-kraft-fuer-entscheidungen-fehlt-ist-es-fobo [10.06.21].
  4. Khan, Coco (2019). Do you take hours to make a simple decision? You may have FOBO. Online verfügbar unter https://www.theguardian.com/global/2019/nov/24/fear-of-missing-out-fomo-making-decision-biology-fobo-christmas-turkey  [10.06.21].

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