Zurück 09 May 2023 · 7 min lesezeit
von Felicitas Eva Lindner

Was ist Overthinking?

Overthinking bezeichnet ein überdurchschnittlich starkes Nachdenken über etwas, das nicht hilfreich ist. Sich ab und zu Gedanken zu machen und sich mit Dingen auseinanderzusetzen, die einen beschäftigen, ist ganz normal und wichtig. Halten diese Gedanken jedoch für längere Zeit an, kann ein übertriebenes und nicht hilfreiches Nachdenken krankhaft werden. Pathologisches Grübeln ist also eine extreme Form des Gedankenkreisens, das zu keiner konstruktiven Lösung führt. Es ist ein Prozess, der uns dazu verleitet, immer wieder dieselben Fragen zu stellen und dieselben Gedanken zu haben, ohne dass wir eine Lösung oder einen Ausweg finden können. Grübeln kann uns gefangen halten und uns von unserem Leben und unseren Zielen abhalten. Grübeln kann auch ein Symptom einer Depression sein. In den meisten Fällen sind Betroffene durch das Grübeln mit ihrer Aufmerksamkeit in der Vergangenheit verhaftet und r nicht im aktuellen Moment.

Grübeln ist abzugrenzen von “sich Sorgen machen”. Sorgen beziehen sich im Gegensatz zum Grübeln auf die Zukunft, auf Befürchtungen vor Gefahren oder auf Maßnahmen, wie diese zu umgehen sind. Grübeln hingegen dient dem Ergründen der Bedeutung von Ereignissen in der Vergangenheit.

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Warum Grübeln wir?

Was ist ein Overthinker? Vielleicht stellst du dir selbst manchmal die Frage `Warum denke ich so viel nach`? Es gibt verschiedene Theorien darüber, warum Menschen grübeln. Die kognitive Theorie geht davon aus, dass das Grübeln ein Versuch ist, ungelöste Probleme zu lösen. Wenn wir uns Gedanken darüber machen, was vielleicht nicht so gut gelaufen ist oder was wir falsch gemacht haben , suchen wir nach möglichen Lösungen und Strategien, um die Dinge in Zukunft anders zu machen.

Eine weitere Theorie geht davon aus, dass das Grübeln ein Versuch ist, Kontrolle über unser Leben zu erlangen. Wenn wir über Probleme oder negative Ereignisse nachdenken, versuchen wir so, Kontrolle wieder zu erlangen. Wir möchten unser Leben und unsere Umgebung kontrollieren, um uns sicher zu fühlen und um Angstgedanken zu verringern. Schlagen die Versuche, die Kontrolle zu behalten, jedoch fehl, kann das Grübeln in einen Teufelskreis führen, in dem wir uns immer mehr Gedanken machen und uns immer weniger sicher fühlen.

Eine weitere Theorie geht davon aus, dass Grübeln  auf eine tiefere Ursache zurückzuführen ist: auf unsere tief verwurzelten Überzeugungen und Werte. Wenn wir etwas begrübeln , kann das demnach damit zusammenhängen, dass unsere Überzeugungen und Werte in Frage gestellt werden.

Das Grübeln  kann auch eine Art der Angstbewältigung sein: Es fungiert als Selbstschutz, denn wir machen uns über mögliche negative Ergebnisse oder Konsequenzen Gedanken, um uns auf das Schlimmste vorzubereiten und uns selbst zu schützen. Jedoch kann uns das ständige Nachdenken und die Konzentration auf negative Gedanken lähmen und von positiven Möglichkeiten abhalten.

Nicht selten liegt die Ursache für pathologisches Grübeln auch in einer psychischen Erkrankung. Wenn Menschen das Grübeln partout nicht unterbrechen können, kann es Symptom einer Depression, Angststörung oder eines Traumas sein. Die Betroffenen versuchen durch übertriebenes Nachdenken ihrem Leid Linderung zu verschaffen. Sie versuchen, Einsicht in ihre Situation zu erhalten. Das Grübeln soll vor akutem Scheitern schützen. Jedoch sind die Gedanken oft negativ verzerrt, sodass sie Traurigkeit und Ängste eher fördern, als sie zu reduzieren. Menschen, die an einer Depression erkrankt sind, grübeln oft und viel, was die depressive Stimmung weiter verstärkt.

Folgen von zu viel Grübeln

Personen, die viel grübeln und immer wiederkehrende Gedanken durchlaufen, leiden häufig unter Schlaflosigkeit und Angstzuständen. Das dauerhafte Grübeln verursacht bei den Betroffenen meist schlechte Laune, Frustration, ein Gefühl der Ohnmacht und das Selbstwertgefühl leidet. Das Grübeln lässt Betroffene immer passiver werden, denn echte Lösungen werden nicht gefunden. Auch kann es sein, dass sich das Grübeln vor allem nachts zeigt, wenn keine äußere Ablenkung möglich ist. Dies kann zu starken Schlafstörungen führen. Auftauchende Selbstzweifel und Selbstkritik sind typisch für Grübelattacken. Es fällt immer schwieriger, die Gedanken loszulassen, sie wiederholen sich und lösen unangenehme Gefühle aus.

Was tun gegen Overthinking: Strategien, um Overthinking zu stoppen

Es gibt ein paar Strategien, mit denen du die Dauerschleife der Gedanken durchbrechen kannst. Eine Möglichkeit ist, den Fokus auf positive Erlebnisse und Erfahrungen zu richten und sich auf positive Lösungen zu konzentrieren. Auch Achtsamkeitstraining, bei dem man lernt, im Moment zu leben und sich auf die Gegenwart zu konzentrieren, kann dabei unterstützen, das ständige Nachdenken über die Vergangenheit oder die Zukunft zu reduzieren.

Im Folgenden haben wir einige Übungen für dich zusammengefasst, die dir dabei helfen sollen, weniger zu grübeln. Manche dieser Übungen helfen sofort, manche brauchen Zeit und Geduld. Probiere selbst aus, welche Übung dir liegt, um dem Grübeln langfristig ein Ende zu setzen.

Zeitlimit setzen
Meist startet das Gedankenkarussell unbewusst. Sobald du dir dessen bewusst wirst, kannst du dir ein Zeitlimit setzen. Hierfür gibt es den sogenannten 2-Minuten-Test und der geht so: Du erwischst dich beim Grübeln? Dann grüble für die nächsten 2 Minuten weiter. Stoppe dich nach 2 Minuten und frage dich: Haben mich diese 2 Minuten Grübeln schlauer gemacht? Hat das Grübeln zu einer Lösung beigetragen? Hat das Grübeln einen Vorteil gehabt? Fühle ich mich nun erleichtert? Falls du alle Fragen mit “Nein” beantwortest, stopp den Gedankenprozess, denn ab hier sind die Gedanken negativ und tun dir nicht gut.

Meditation

Durch regelmäßiges Meditieren kommt der Kopf zur Ruhe und die Gedanken verstummen, besonders weil dir bewusst wird, dass Bewertungen oft zu unangenehmen Gefühlen führen. Setze dich in eine bequeme Position und versuche, für 3 Minuten aufrecht zu sitzen. Du kannst deine Augen schließen. Bestimmt flitzen dir sofort Gedanken durch den Kopf. Nimm hier die Haltung eines*r liebevollen Beobachter*in ein: Stelle dir vor, dass deine Gedanken wie Wolken am Himmel an dir vorüberziehen. Du kannst dir auch vorstellen, wie du sie mit einer Feder leicht berührst, um sie weiterzuschieben. Identifiziere dich nicht mit den Gedanken, denn auch sie kommen und gehen. Vielleicht merkst du nach 3 Minuten schon, wie erleichternd es sein kann, die Gedanken nicht immer sofort an sich zu reißen, sondern sie zu beobachten und achtsam mit ihnen umzugehen. Erlaube deinen Gedanken, an dir vorzuziehen und übe dich täglich in ein wenig Achtsamkeit.

Stopp!
Solltest du wieder merken, dass du unbewusst ins quälende Grübeln geraten bist, dann sage laut und deutlich “Stopp!”. Du kannst dies auch nur in Gedanken machen. Setze aber jeder Grübel-Attacke ein Stopp-Zeichen entgegen. Dies kannst du auch verstärken, indem du das “Stopp” mit einer kraftvollen Geste unterstützt. Zum Beispiel kannst du eine Faust machen oder mit dem Fuß aufstampfen. Wende dich nach dem “Stopp” direkt etwas anderem zu, damit der Kopf nicht ins Grübeln zurück verfällt.

Distanz
Werde dir darüber bewusst, dass deine Gedanken keine wahren Tatsachen widerspiegeln. Distanziere dich von ihnen, denn deine Gedanken sind nicht du. Meist gehen Betroffene verschiedene Szenarien in ihrem Kopf durch, die sich nie bewahrheitet haben. Nimm die Position eines*r Beobachter*in ein und merke, dass deine Gedanken nur ein fiktives Konstrukt sind, welches sich mit ein wenig Übung auch schnell wieder auflösen lassen. Nimm dir nicht jeden Gedanken zu Herzen, sondern lass sie auch bewusst in der Ferne stehen.

Achtsamkeit ins Außen
Sobald du dich in einer Gedankenspirale befindest, kann Ablenkung helfen. Zum Beispiel kannst du deine Aufmerksamkeit auf deine Außenwelt verschieben. Beobachte, was um dich herum passiert. Zum Beispiel kannst du den Fokus auf die Menschen um dich herum legen: Was haben sie an? Wo wollen sie vielleicht hin? Wo kommen sie her? So kannst du deinen Kopf beschäftigt halten, ohne dass die Gedanken direkt negativ werden. Auch einfache Beschäftigungen wie Lesen, ein Hörbuch oder Musik hören, ein Spaziergang oder mit Freund*innen telefonieren können dir dabei helfen, negative Gedankenspiralen hinter dir zu lassen, indem du deine Aufmerksamkeit gezielt verschiebst.

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Wenn das Grübeln jedoch über einen längeren Zeitraum anhält und du das Gefühl hast, dass es dein Leben beeinträchtigt, kann es ratsam sein, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ein*e Psychotherapeut*in kann dir dabei helfen, die Ursachen des Grübelns zu identifizieren und effektive Methoden zu finden, um es zu reduzieren und ein erfüllenderes Leben zu führen. Die Online-Kurse von Selfapy bieten eine gute Möglichkeit der Unterstützung bei psychischen Erkrankungen und beinhalten ebenfalls Strategien gegen das Grübeln. Die Kurse bei Selfapy sind kostenfrei auf Rezept erhältlich. Für mehr Informationen vereinbare ein kostenloses Infogespräch.

Ein Artikel von

Felicitas Eva Lindner Redakteurin · Journalismus M.A. | Psychologie B.Sc. | Psychologie M.Sc.

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Quellenangaben

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    Nolen-Hoeksema, S., & Morrow, J. (1991). A prospective study of depression and posttraumatic stress symptoms after a natural disaster: the 1989 Loma Prieta earthquake. Journal of personality and social psychology, 61(1), 115.
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