Zurück 13 Sep 2021 · 6 min lesezeit
von Volker Budinger

Die Symptome einer generalisierten Angststörung sind ähnlich denen der Prüfungsangst. Mache hier den wissenschaftlich fundierten Test und finde heraus, ob du Anzeichen für eine Angststörung zeigst.

Angriff oder Flucht – eigentlich sind das keine Optionen, wenn es im Leben darum geht, eine Prüfung zu bestehen. Das Erbe der Evolution steht uns da allerdings manchmal im Weg – und so reagieren viele Kinder, Heranwachsende aber auch Erwachsene auf Prüfungssituationen mit Angst, manchmal sogar Panik.

Laut dem Statistikportal Statista gaben bei einer Umfrage 56,1 Prozent der Schüler*innen in Deutschland an, vor jeder Prüfung nervös zu sein, Erhebungen wie die „Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks zur wirtschaftlichen und sozialen Lage der Studierenden“ aus dem Jahr 2016 bescheinigten jedem sechsten Studierenden Prüfungs-, Leistungs- oder Examensangst (manchmal auch vom englischen Begriff her „Testangst“ genannt“), Tendenz steigend. Und  Prüfungssituationen gibt es nicht nur in Schule oder Studium: Bewerbungsgespräche, der Vortrag im Meeting oder auch das erste Live-Date stellen Formen von Prüfungen dar, auf die viele mit Stress, Angst und Panik reagieren.

Wir zeigen hier anhand der Symptome auf, ob du auch zu den Betroffenen gehörst, und geben dir Tipps, Prüfungsangst zu überwinden – oder sogar positiv nutzen zu können.

Prüfungsangst – Symptome: Woran erkennst du, ob du betroffen bist?

Zwar gibt es keine konkrete Definition der Prüfungsangst als eine „Störung mit Krankheitswert“ in den Standardklassifikationen wie dem DSM-IV (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders der American Psychiachtric Association) oder dem ICD-10 (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme) der Weltgesundheitsorganisation WHO, dennoch gibt es eine Reihe von Symptomen, die das Problem gut beschreiben.

Psychologisch betrachtet finden man typische Erscheinungsformen auf den sogenannten vier Ebenen des Erlebens und Verhaltens, also auf den Ebenen der Gedanken, der Gefühle, des Verhaltens und der Körperreaktionen.

  • Auf der Ebene der Gedanken sind das negative, sich selbstabwertende Gedanken oder auch solche, bei denen die Folgen der Prüfung katastrophal für dein Leben erscheinen.
  • Auf der Gefühlsebene äußert sich Prüfungsangst neben konkreten Angstgefühlen auch mit Verzweiflung, Ärger, Hoffnungslosigkeit oder Niedergeschlagenheit.
  • Im Verhalten neigst du, wenn du von Prüfungsangst betroffen bist, zu Vermeidungsreaktionen oder zum Aufschieben – etwa beim Start des Lernens oder wenn es um die Anmeldung zur Prüfung geht. Aber auch das Gegenteil kann der Fall sein, wenn du wie von Sinnen beginnst, alles Mögliche für die Prüfung zu lernen, du „überlernst“ und dabei das Wesentliche aus dem Fokus verlierst.
  • Bei den körperlichen Reaktionen schließlich zeigt sich Prüfungsangst sehr unmittelbar. Die klassischen „Angriff oder Flucht“-Reaktionen unseres vegetativen Nervensystems, das sich nicht vom Willen steuern lässt, führen zu Symptomen wie Herzrasen, Muskelanspannung, Tunnelblick, schnellem Atmen. Dazu gehören aber auch in unterschiedlichen Ausprägungen Reaktionen wie der Drang zur Toilette gehen zu müssen, starkes Schwitzen und in extremen Fällen die Unfähigkeit, sich auf das Gelernte konzentrieren zu können, bis hin zum „Wissens-Blackout“. 

Prüfungsangst – Ursachen: Was steckt hinter der Panik?

Das Klassifikationssystem DSM-IV ordnet Prüfungsangst als eine Sonderform der „sozialen Bewertungsangst“ ein. Das beinhaltet auch den wesentliche Kern der Prüfungsangst. Es ist nicht so sehr die Angst vor der Prüfungssituation an sich, sondern eher vor dem, was darauf folgt. Und zwar vor den negativen Folgen – der Kern von Prüfungsangst ist schlicht die Angst vor dem Versagen.

Befeuert werden kann das durch bereits erlebte Folgen einer nicht bestandenen Prüfung, schlechte Noten etwa, die Reaktionen von Eltern oder Vorgesetzten. Im Kopf baut sich das Bild eines unüberwindlichen Hindernisses auf – und die Angst kann sich als „Angst vor der Angst“ noch zusätzlich steigern, etwa wenn du bereits ein Blackout-Erlebnis während einer Prüfung hattest und nun vor der nächsten Prüfung fürchtest, wieder „gar nichts“ zu wissen.

Ich habe Prüfungsangst - Was tun? Tipps gegen den Stress

Die Prüfungsangst überwinden ist gar nicht so schwer. Es gibt einige wirksame Tipps, was hilft bei Prüfungsangst.

  1. Gelassenheit durch gute Vorbereitung vor der Prüfung: Wer gut vorbereitet ist, muss auch nichts befürchten. Wenn du rechtzeitig mit den für dich optimalen Lernmethoden den richtigen Stoff fokussiert gelernt hast – und am besten auch eine Prüfungssituation etwa mit Freunden simuliert hast, kann dir eigentlich nichts passieren. du kannst gelassen und ohne Angst in die Prüfung gehen. Das gilt übertragen auch für andere Prüfungssituationen – der Vortrag lässt sich gut vor- und aufbereiten und vor dem Bewerbungsgespräch lassen sich wichtige Fakten recherchieren (oder auch gute Erklärungen  für Lücken im Lebenslauf zurechtlegen).
  2. Sport, Freunde, gutes Essen, genug Schlaf – und Sex: gut für sich selber sorgen hilft gegen die Angst: Sich vor Prüfungen im Lernzimmer zu vergraben und dabei Junk-Food zu essen ist erwiesenermaßen keine gute Vorbereitung auf eine Prüfung. Sport zu treiben ist gut für Körper und Geist. Das gleiche gilt für gutes Essen und ausreichend Schlaf – bis in die Nacht zu lernen ist keine gute Idee. Soziale Kontakte sollten ebenfalls nicht vernachlässigt werden – neben dem Lernen sollte Zeit sein, Freunde zu treffen. Und tatsächlich hat eine schottische Studie des Psychologen Stuart Brody aus dem Jahr 2006, veröffentlicht im „New Scientist“, gezeigt, dass Sex mit der/dem Partner*in vor einer Prüfung sich positiv auswirkt.
  3. Übungen gegen die Prüfungsangst – Fokussieren und Entspannen: Achtsamkeitsübungen, Atementspannungen oder die Progressive Muskelentspannung sind Techniken, die gegen die übersteigerte Anspannung vor einer Prüfung helfen können. Auch der sogenannte Gedankenstopp ist eine Übung, die erlernt werden kann und dann gegen die Prüfungsangst wirkt.
  4. Positives Denken gegen katastrophale Gedanken während der Prüfung: Vor und auch während der Prüfung ist positives Denken eine gute Maßnahme. Statt sich in den düstersten Farben auszumalen, was eine nicht bestandene Prüfung bedeuten könnte, kannst du dich etwa darauf konzentrieren, dir bewusst zu machen, dass du gut vorbereitet bist. Oder du sagst dir, falls es nicht klappt, gibt es noch viele andere Optionen – eine Klausur lässt sich auch im kommenden Semester noch einmal wiederholen.
  5. Einfach mal mit den großen Zehen wackeln gegen den Blackout: Ein Tipp, den Psycholog*innen geben, wenn sich alles vor Anspannung verkrampft und gar nichts mehr zu gehen scheint – einfach etwas ganz anderes tun. du kannst zum Beispiel ganz einfach mit deinen großen Zehen wackeln. Das hilft, die Anspannung zu lösen und alles beruhigt sich wieder.

Umgehen lernen mit der Prüfungsangst – Therapie & Co.

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Wer stark unter Prüfungsangst leidet und sich darin etwa im Beruf und Studium behindert sieht, kann eine klassische  Verhaltenstherapie etwa bei einer/einem Psychotherapeut*in in Erwägung ziehen. Weitere Therapie-Möglichkeiten sind etwa eine Hypnose-Therapie gegen die übersteigerte Stress-Reaktion. Einigen Menschen helfen auch die Methoden der Homöopathie wie Bachblüten, Globuli oder Rescue-Tropfen.

Pillen gegen Prüfungsangst? – Medikamente, die helfen können – oder auch nicht

Tabletten gegen Prüfungsangst gibt es mit dieser Indikation nicht unmittelbar. Eine Rücksprache mit der/dem Arzt*in oder einer/einem behandelnden Psychiater*in sollte auch immer vor der Einnahme stehen. 

Mittel gegen Prüfungsangst - Pflanzliche Arzneimittel können helfen: Viele Betroffene haben gute Erfahrungen mit milden pflanzlichen Beruhigungsmitteln die Bestandteile von etwa Johanniskraut, Baldrian, Melisse, Hopfen, Lavendelöl oder Passionsblume beinhalten. Besonders wenn die anstehende Prüfung auch zu Schlaflosigkeit führt, können diese meist freiverkäuflichen Mittel eine Lösung sein.

Vorsicht bei Beruhigungsmitteln & Co. - Warum Betablocker gegen Prüfungsangst keine Lösung sind: In verschiedenen Foren und Gruppen tauschen sich Betroffene über stärkere Arzneimittel aus, die sie gegen Prüfungsängste einnehmen. Allgemein muss man davor warnen, ohne ärztlichen Rat Medikamente einzunehmen. Antidepressiva oder auch das viel diskutierte Ritalin werden von Ärzt*innen oder Psychiater*innen verschrieben. Auch starke Beruhigungsmittel wie Benzodiazepine oder Beta-Blocker sind in der Regel nur auf Rezept zu bekommen und können unsachgemäß eingenommen Nebenwirkungen bis hin zur Medikamentensucht entfalten.

Schlafmittel oder rezeptfreie Schmerzmittel sollten ebenfalls nur auf ärztlichen Rat hin genommen werden. Selbst vermeintlich harmlose Mittel wie Acetylsalicylsäure können zu oft eingenommen zu Schäden führen.

Ein Artikel von

Volker Budinger Medizinredakteur

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Quellenangaben

  1. Rolfes; „Prüfungsangst – ein Fall für Nachteilsausgleich?“; Vortrag m Rahmen des Seminars „Nachteilsausgleichsregelungen für das Studium“ der Informations- und Beratungsstelle Studium und Behinderung (IBS) des Deutschen Studentenwerks; 2018; https://www.studentenwerke.de/sites/default/files/views_filebrowser/2018_rolfes_vortrag-prufungsangst_ein_fall_fur_nachteilsausgleiche.pdf
  2. Fehm; Fydrich ; „Prüfungsangst“; Fortschritte der Psychotherapie; Band 44; 2011; ISBN 9783840916106;  Hogrefe Verlag; https://pubengine2.s3.eu-central-1.amazonaws.com/preview/99.110005/9783840916106_preview.pdf 
  3. Fehm; Fydrich ; „Prüfungsangst“; Fortschritte der Psychotherapie; Band 44; 2011; ISBN 9783840916106;  Hogrefe Verlag; https://pubengine2.s3.eu-central-1.amazonaws.com/preview/99.110005/9783840916106_preview.pdf 
  4. „Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2016“; 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks durchgeführt vom Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung; https://www.studentenwerke.de/de/content/die-wirtschaftliche-und-soziale-lage-der
  5. „Keine Angst vor Prüfungsangst!“; Informationen für Studierende, Psychologische Studienberatung TU Dortmund; https://www.tu-dortmund.de/studierende/beratung/psychologische-studienberatung/pruefungsvorbereitung/pruefungsangst/#c804
  6. Knigge-Illner; „Prüfungsangst bewältigen“; Psychotherapeut; 2009; https://doi.org/10.1007/s00278-009-0695-1
  7. Schiffmann; „Mit Pillen gegen die Prüfungsangst“; FAZ; 2011; https://www.faz.net/aktuell/karriere-hochschule/campus/mit-pillen-gegen-die-pruefungsangst-1605207.html 

„Medikamente im Test“; Nervosität und Unruhe; Stiftung Warentest;

https://www.test.de/medikamente/krankheit/nervositaet-und-unruhe-k216/ 

„Medikamente im Test“; Nervosität und Unruhe; Stiftung Warentest;

https://www.test.de/medikamente/krankheit/nervositaet-und-unruhe-k216/ 

„Medikamente im Test“; Nervosität und Unruhe; Stiftung Warentest;

https://www.test.de/medikamente/krankheit/nervositaet-und-unruhe-k216/ 

„Medikamente im Test“; Nervosität und Unruhe; Stiftung Warentest;

https://www.test.de/medikamente/krankheit/nervositaet-und-unruhe-k216/ 

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