Zurück 17 Jul 2023 · 6 min lesezeit
von Nicole Lücke
Angst vor Krankheiten: Hypochonder

Hinter jedem Symptom eine ernsthafte Erkrankung vermuten: Das kann belasten. Unbehandelt kann die Angst vor Krankheiten zu weiteren Problemen führen.

  • Bei einer Hypochondrie handelt es sich um eine Angst vor schweren Erkrankungen. Als typisches Symptom beobachten sich die Betroffenen permanent selbst und sind davon überzeugt, dass sich hinter harmlosen Vorgängen oder Beschwerden etwas Schlimmes verbirgt. 
  • Hypochondrie kann auch als Begleiterscheinung einer anderen psychischen Erkrankung auftreten, etwa einer Depression.

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  • Die Ursachen sind nicht im Detail bekannt. Vermutlich kommen verschiedene Faktoren zusammen, etwa eine genetische Veranlagung, Stress, ein geringes Selbstwertgefühl oder traumatische Erfahrungen mit Krankheiten in der Kindheit.
  • Wer die Angst vor Krankheiten loswerden möchte, sollte eine Psychotherapie machen.

Wenn das Herz nach dem Treppensteigen schneller schlägt, ist das bestimmt ein Zeichen für eine Herzkrankheit. Und der Belag auf der Zunge ist ganz sicher Krebs – Menschen, die an einer Angst vor Krankheiten leiden, beobachten sich permanent selbst und gehen schon mit einem kleinen blauen Fleck zu einer*einem Ärztin*Arzt. Andere meiden Mediziner*innen, weil sie befürchten, sonst eine schlimme Diagnose zu bekommen. Kennst du solche Gedanken? Deine Angst ist eine ernsthafte Erkrankung, die behandelt werden sollte. 

Angst vor Krankheiten: Was ist das?

Die Angst vor Krankheiten wird auch als hypochondrische Störung bezeichnet. Früher nannte man sie Hypochondrie, umgangssprachlich ist der Begriff heute noch gängig. Im Fokus steht die Überzeugung, dass sich hinter allen körperlichen Symptomen eine schwere Erkrankung verbirgt. Auch normale Körperfunktionen werden überinterpretiert.

Wie viele Menschen von einer hypochondrischen Störung betroffen sind, weiß man nicht. Die Dunkelziffer ist vermutlich sehr hoch, weil viele Betroffene nicht ahnen, dass ihre Angst eine Erkrankung ist. Viele verheimlichen sie sogar. Experten*Expertinnen vermuten, dass zwischen 0,2 und 1,3 Prozent der Erwachsenen ständig Angst vor Krankheiten haben. Andere gehen sogar davon aus, dass jeder dritte Mensch ein Hypochonder ist. 

Im Alltag ist es eine sehr große Belastung, wenn du ständig Angst vor Krankheiten hast und vielleicht sogar fest davon überzeugt bist, dass du bald stirbst. Wenn die Hypochondrie nicht behandelt wird, verläuft sie meistens chronisch und wird in der Regel schlimmer. Andere psychische Erkrankungen wie eine Depression können daraus entstehen.

Hypochondrie: Ursachen

Es ist nicht bekannt, wie genau die Angst vor Krankheiten entsteht. Mediziner*innen nehmen an, dass eine genetische Veranlagung vererbt wird. Wahrscheinlich kommt eine Kombination aus weiteren Faktoren hinzu, zum Beispiel:

  • Hypochonder haben oft ein geringes Selbstwertgefühl.
  • Viele hatten überbesorgte Eltern, oder die Eltern hatten selbst große Angst vor Krankheiten.
  • Ein Risikofaktor ist es auch, wenn Kinder schon bei harmlosen Beschwerden viel Aufmerksamkeit bekommen.
  • Wer früh Erfahrungen mit sehr schweren Erkrankungen gemacht hat – bei sich oder bei engen Verwandten – wird ebenfalls eher zum Hypochonder.
  • Auslöser für die Angst vor Krankheiten sind häufig Stress und Belastungen im Alltag.
  • Es ist auch möglich, dass die Betroffenen schlechte Erfahrungen mit Ärzten*Ärztinnen gemacht haben und Diagnosen misstrauen.

Hypochondrie als Begleiterkrankung

Für Mediziner*innen ist es nicht immer ganz leicht herauszufinden, ob du eine eigenständige Angst vor Krankheiten hast oder ob sie ein Symptom ist. Es ist zum Beispiel möglich, dass du Depressionen hast, die sich unter anderem als Hypochondrie äußern. Andererseits kann aus einer Hypochondrie auch eine Depression entstehen. Ähnlich sieht es mit Zwangs- und Angststörungen aus. Psychische Erkrankung sind also häufig eng miteinander verknüpft.

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Angst vor Krankheiten: Symptome

Die Angst vor Krankheiten verläuft nicht bei jeder Person gleich. Außerdem ist es normal, dass du beispielsweise deinen Körper beobachtest, falls du gerade erfahren hast, dass ein Familienmitglied krank ist. Hypochondrische Phasen erleben sehr viele Menschen. Sorgen solltest du dir erst machen, wenn deine Beschwerden länger als ein halbes Jahr anhalten. Es gibt bei der Angst vor Krankheiten Symptome, die darauf hindeuten, dass du zu einem*einer Mediziner*in gehen solltest:

  • Du beobachtest die ganze Zeit deinen Körper. Vielleicht setzt du dafür sogar Hilfsmittel ein und misst zum Beispiel deinen Blutdruck.
  • Hinter normalen Körperfunktionen wie Schwitzen vermutest du eine Erkrankung.
  • Du willst viel mit Familie und Freunden über deine Beschwerden reden, damit sie dich beruhigen.
  • Wenn Mediziner*innen dir sagen, dass du gesund bist, glaubst du das nur für kurze Zeit und machst dann einen erneuten Termin.
  • Eventuell wechselst du häufig den*die Arzt*Ärztin, wenn er*sie nichts findet, weil du nicht glauben kannst, dass du nicht krank bist.
  • Oder du gehst gar nicht zu Mediziner*innen, weil du dir sicher bist, dass sie dir mitteilen, dass du eine schlimme Krankheit hast.
  • Du informierst dich viel über Krankheiten. Deine Sorge wird dadurch aber noch größer.

Vor welchen Krankheiten haben die meisten Betroffenen Angst?

Bei einer Hypochondrie vermutest du hinter harmlosen Symptomen lebensbedrohliche oder schwere Erkrankungen. Falls du beispielsweise zu schnell aufstehst und dir davon schwindelig wird, denkst du direkt an einen Gehirntumor. Am häufigsten ist bei einer Hypochondrie die Angst vor Krebs. Viele Menschen, die etwas älter sind, haben zudem Angst, bei einer kleinen Anstrengung sofort einen Infarkt zu bekommen. Vielleicht befürchtest du auch, an einer schweren neurologischen Erkrankung wie Multiple Sklerose zu leiden oder du hast Angst davor, psychisch krank zu sein.

Wie bekomme ich meine Angst vor Krankheiten in den Griff?

Du brauchst Unterstützung, wenn du deine Hypochondrie besiegen willst. Die übliche Behandlung ist eine Psychotherapie. Medikamente verschreiben Mediziner*innen nur in sehr schweren Fällen.

Psychotherapie bei Hypochondrie

Die wichtigste Hypochondrie-Therapie ist die sogenannte kognitiv-behaviorale Psychotherapie. Diese setzt sich aus zwei Bereichen zusammen: Du lernst, bestimmte Denkmuster zu durchbrechen und dein Verhalten zu ändern.

Dein*e Therapeut*in bringt dir unter anderem Folgendes bei:

  • Du erfährst, welche Vorgänge in deinem Körper völlig normal sind. Zum Beispiel schlägt ein gesundes Herz in bestimmten Situationen schneller.
  • Du lernst zu erkennen, welche Beschwerden durch Stress oder auch durch deine Angst vor Krankheiten ausgelöst werden, etwa plötzliches Schwitzen.
  • Gemeinsam mit dem*der Arzt*Ärztin übst du eine realistische Einschätzung: Wie wahrscheinlich ist es, dass du ernsthaft krank bist? 
  • Zu einer Therapie gehört es auch, nach möglichen Ursachen für deine Ängste zu suchen.
  • Mit verschiedenen Übungen legst du ungesunde Verhaltensweisen ab. Du lernst also, dich nicht mehr permanent zu beobachten, nach Krankheiten zu googeln und auf unnötige Besuche bei Mediziner*innen zu verzichten.

Medikamente: Angst vor Krankheiten loswerden

Die Psychotherapie ist die wichtigste Form der Behandlung. Medikamente werden vor allem eingesetzt, wenn die Hypochondrie ein Symptom einer anderen psychischen Erkrankung ist, etwa einer Depression. Dann wird der*die Arzt*Ärztin die Depressionen behandeln, eventuell mit Medikamenten. In der Folge bessert sich auch die Angst vor Krankheiten. In sehr schweren Fällen von Hypochondrie können Psychopharmaka auch ohne Begleiterkrankung die Behandlung ergänzen. Sogenannte Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) versprechen dabei den größten Erfolg (Fluoxetin, Paroxetin).

Hypochondrie: Selbsthilfe

Eine Hypochondrie-Selbstheilung gelingt selten. Du kannst eine Psychotherapie jedoch unterstützten, indem du Stress verringerst, etwa durch Yoga, Autogenes Training oder Progressive Muskelentspannung.

Außerdem kann es dir helfen, eine Hypochondrie-Selbsthilfegruppe aufzusuchen. Dort kannst du dich mit anderen Betroffenen darüber austauschen, wie es ihnen gelingt, die Angst vor Krankheiten in den Griff zu bekommen.

Ein Artikel von

Nicole Lücke Medizinredakteurin

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Quellenangaben

  1. Bleichhardt, G., Weck, F. (2015). Kognitive Verhaltenstherapie bei Hypochondrie und Krankheitsangst. Springer Medizin
  2. deximed.de (2018, 8. März). Hypochondrie. https://deximed.de/home/klinische-themen/psychische-stoerungen/krankheiten/angststoerungen/hypochondrie
  3. lwl-klinik-paderborn.de (o. D.). Was ist eine somatoforme Störung? Abgerufen am 16. September 2021.https://www.lwl-klinik-paderborn.de/de/fuer-patienten-angehoerige/informationen-zu-erkrankungen-erwachsenenpsychiatrie/somatoforme-stoerungen-krankheitsaengste-hypochondrie/
  4. neurologen-und-psychiater-im-netz.org (2010, 8. Dezember). Hypochonder sind keine Simulanten - Sie haben große Ängste. Abgerufen am 16. September 2021. https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/psychiatrie-psychosomatik-psychotherapie/news-archiv/meldungen/article/hypochonder-sind-keine-simulanten-sie-haben-grosse-aengste/
  5. Sonnenmoser, M. (2020, Dezember). Krankheitsangst: Keine Bagatelle. Ärzteblatt. https://www.aerzteblatt.de/archiv/79602/Krankheitsangst-Keine-Bagatelle
  6. Tyrer P., Salkovskis P., Tyrer H., et al. (2017). Cognitive-behaviour therapy for health anxiety in medical patients (CHAMP): a randomised controlled trial with outcomes to 5 years. Health Technology Assessment. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/28877841/

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