
Angst ist ein ganz natürliches Gefühl. Jeder hat sie schon mal erlebt. Sich in bestimmten Situationen zu fürchten ist nicht nur normal, sondern kann sogar lebensrettend sein. Angst vor einem bevorstehenden Ereignis kann zudem dafür sorgen, dass wir uns besonders gut darauf vorbereiten. Der Körper passt sich aufgrund der Angst an die Umwelt an. Wenn die Angst jedoch überhand nimmt und das alltägliche Leben beeinträchtigt, kann das ein Hinweis auf eine Angststörung sein.
In der Psychologie und Psychiatrie werden zahlreiche Formen von Angststörungen unterschieden. Diese lassen sich in zwei Gruppen unterteilen: Einerseits gibt es die Angst vor einem bestimmten Objekt oder einer Situation (z.B. Flugangst), andererseits gibt es Ängste ohne konkreten Auslöser.
Angst vor einem Objekt oder einer Situation
In dieser Gruppe finden sich die verschiedenen Phobien: Die Agoraphobie (auch Platzangst genannt), die soziale Phobie und die spezifischen Phobien bilden die häufigsten Ausprägungen. Im Diagnosehandbuch der WHO, dem ICD-10, wird die Agoraphobie als Furcht vor oder Vermeidung von Menschenmengen, öffentlichen Plätzen, Reisen allein oder Reisen von Zuhause weg beschrieben. Sie kann sich als Resultat von Panikattacken (siehe unten) entwickeln. Die Furcht vor oder Vermeidung von sozialen Situationen, bei denen die Gefahr besteht, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen, und die Furcht, sich peinlich oder beschämend zu verhalten, nennt man soziale Phobie. Die Liste der spezifischen Phobien ist schier unendlich. Hier finden sich die Tierphobien (z.B. Arachnophobie: die Angst vor Spinnen), situative Phobien (z.B. Flugangst oder Höhenangst), Natur-Phobien (z.B. Angst vor Gewitter oder Wasser) und Angst vor Blut, Verletzungen und Spritzen.
Betroffene versuchen die Auslöser ihrer Phobie weitestgehend zu vermeiden, da sie nur unter heftigen körperlichen Reaktionen und extremer Angst zu ertragen sind. Der Gedanke an den Auslöser und die Erwartung der Angst können zu einer starken Beeinträchtigung des Alltags führen.
Panikstörung
Von den Phobien abzugrenzen sind die Panikstörungen, die durch immer wieder auftretende Angst- und Panikattacken gekennzeichnet sind. Diese sind nicht auf ein spezifisches Objekt oder eine spezifische Situation bezogen. Sie machen sich durch abrupt auftretende körperliche Symptome wie Herzrasen, Schweißausbrüche, Zittern und Atemnot bemerkbar. Daraus resultiert oft die Angst zu sterben. Panikattacken können situations- oder ortsgebunden sein, d.h. sie treten vornehmlich in einer bestimmten Situation oder an einem bestimmten Ort (z.B. beim Autofahren) auf, ohne dass eine Angst vor dieser oder diesem besteht.
Generalisierte Angststörung
Wird der Alltag von ständigen Sorgen bestimmt, liegt dem eventuell eine Generalisierte Angststörung (GAS) zugrunde. Betroffene leiden unter einer diffusen Angst, die sich auf sie selbst oder ihnen nahestehende Personen beziehen kann. Häufig kreisen die Gedanken um gesundheitliche und finanzielle Gefahren oder Bedrohungen, aber auch um Themen des alltäglichen Lebens. Oftmals kann die Angst nicht konkret an etwas festgemacht werden und die Sorgen wirken unkontrollierbar. Typisch für die GAS sind zudem die sogenannten Metasorgen: Betroffene sorgen sich über ihre Sorgen, z.B. dass sie zu häufig auftreten oder ihnen schaden könnten.
Körperliche Symptome der GAS können Ruhelosigkeit, leichte Ermüdbarkeit, Probleme mit der Konzentration, erhöhte Reizbarkeit, Muskelverspannungen und Schlafstörungen sein. Auch Herzrasen, Schwindel oder Magenbeschwerden können auftreten. Damit die Diagnose GAS gestellt werden kann, müssen mindestens drei der psychischen oder körperlichen Symptome über einen Zeitraum von sechs Monaten in dem Maß auftreten, dass sie die Lebensqualität bedeutsam einschränken.
Ursachen von Angststörungen
Etwas 4 bis 8 Prozent der Bevölkerung leiden im Laufe des Lebens unter einer GAS. Damit gehört die Störung zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Im Vergleich zur Panikstörung entwickelt sich die GAS oftmals erst im Erwachsenenalter, nicht selten nach dem 40., 50. oder 60. Lebensjahr. Selten tritt die Störung im Kindes- und Jugendalter auf.
Selten lässt sich für psychische Störungen eine einzige Ursache ausmachen. So spielen auch bei der Entstehung der Generalisierten Angststörung (GAS) genetische und soziale Faktoren eine Rolle. Dabei gibt es kein „Angst-Gen“. Vielmehr kann eine gewisse biologische Vulnerabilität, also Verletzbarkeit, vererbt werden. Die betroffene Person erlebt und interpretiert Stresssituationen anders und ist anfälliger, Ängste zu entwickeln. In diesem Sinne kann Ängstlichkeit als Persönlichkeitsmerkmal angesehen werden, welches die Entwicklung einer Angststörung begünstigt. Zu den sozialen Faktoren gehören beispielsweise prägende Erfahrungen in der Kindheit sowie der Erziehungsstil der Eltern. Der Verlust eines Elternteils, Missbrauch und Vernachlässigung zählen zu den stärksten Risikofaktoren. Kindern von ängstlichen Eltern fehlt oftmals die Fähigkeit angemessen auf Bedrohungen zu reagieren. Demnach kann Ängstlichkeit erlernt sein oder als körperliche und psychische Reaktion auftreten.
Ausgelöst wird die GAS durch kritische Lebensereignisse, Krisen und Stress. Die Trennung oder Scheidung vom Partner, der Tod eines Angehörigen oder Arbeitslosigkeit zählen zu den Ereignissen, die die Entstehung der Angststörung begünstigen können. Dieser Zusammenhang wurde in zahlreichen Studien nachgewiesen. Beachtet werden muss bei der Diagnose einer GAS auch die Möglichkeit, dass ihr eine andere Erkrankung zugrunde liegt. Sowohl eine Schilddrüsenunterfunktion als auch die -überfunktion, Schizophrenie (eine von Wahnvorstellungen geprägte Störung) und andere neurologische Erkrankungen können Ängste verursachen. Medikamente wie Antidepressiva, Neuroleptika, Antibiotika und die Pille können als Nebenwirkung eine Angststörung auslösen.
Generalisierte Angststörung Therapieren
Als wirksame Therapie gegen Angststörungen hat sich die kognitive Verhaltenstherapie erwiesen. Dabei lernen Betroffene, was die Auslöser ihrer Erkrankung sind und wie sie negative Gedanken kognitiv umstrukturieren können. So soll ihnen ein besserer Umgang mit der Erkrankung ermöglicht werden.
Quellenangaben
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- Wittchen, H. U. (2002). Generalized anxiety disorder: prevalence, burden, and cost to society. Depression and anxiety, 16(4), 162-171.